Verbeugungen vor einem erleuchteten Vagabunden

Verbeugungen vor einem erleuchteten VagabundenEinst traf Patrul Rinpoche auf eine Gruppe Lamas, die auf dem Weg zu einer großen Versammlung waren und er schloss sich ihrer Gesellschaft an. Er war so schäbig angezogen, so zurückhaltend, dass er wie ein gewöhnlicher bettelnder Praktizierender behandelt wurde. Er musste beim Teekochen behilflich sein, beim Sammeln von Feuerholz und den Mönchen der Gesellschaft dienen, während sie durch eine einsame Gegend von Kham im Osten Tibets reisten.
Eines Tages hörte die Gruppe, dass ein wichtiger Lama ganz in der Nähe eine bedeutende Übertragung, eine Ermächtigung ins Vajrayana und die Lehre dazu geben wird und die Gesellschaft beeilte sich, daran teilzunehmen. Als sie dort ankamen, waren alle Lamas und wichtigen Prediger und Mönche in allen monastischen Insignien mit ihren Hüten, Kronen und Anhängern herausgeputzt. Verzierte Sättel und Girlanden schmückte ihr farbenfrohes Sattelzeug. Lange Hörner, Muschelhörner und Bronzetrompeten boten eine wahrhaftige Symphonie an himmlischen Klängen dar. Jeder berühmte Lama wurde auf einen hohen Thron gesetzt. Seine Höhe entsprach dem offiziellen Rang des Lamas. Dann begannen die Rituale und Einweihungen.
Am Ende der Einweihung gingen alle nach vorne um die Opfergaben dem vorsitzenden Meister zu geben und den Segen von seiner Hand auf ihren Kopf zu empfangen. Patrul, der die ganze Zeit ruhig am Ende der Menschenmenge gesessen hatte, stand am Ende der langen Reihe der auf den Segen Wartenden. Als die Reihe langsam voranschritt, verbeugte sich jede Person vor dem Thron des großen Meisters, brachte einen weißen Seidenschal dar und empfing eine Segnung.
Zuerst berührte der Lama jeden Kopf mit seiner Hand. Dann, weil die Warteschlange so groß war, begann er einfach jeden mit einer langen Pfauenfeder zu berühren. Das ging so lange, bis zu guter Letzt der zerlumpte Vagabund vor ihm stand. Die Augen des vorsitzenden Meisters weiteten sich voller Erstaunen. Diese schmuddelige Figur war niemand anders als der lebende Buddha, der überragende Dzogchen-Meister Dza Patrul!
Der große Lama stieg von seinem Thron und beugte sich ganz hinunter zu Boden. Während die Versammlung gaffte, brachte er Patrul die Pfauenfeder dar und verneigte sich wieder und wieder vor dem sanft lächelnden Weisen.


Dza Patrul Rinpoche war der Dzogchen-Meister um die Jahrhundertwende. Als ein populärer Lehrer, Poet und Autor reiste er unerkannt durch Ost-Tibet, gekleidet im langen, handgefertigten Schafwollmantel der Nomaden. Wenige erkannten diesen verehrten Lama, der, den alle erwartungsvoll treffen wollten.


Übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2018). Möge es von Nutzen sein!


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