(Ver)a(r)schermittwoch

(Ver)a(r)schermittwoch
(Ver)a(r)schermittwoch

Dass der Aschermittwoch den Beginn der Fastenzeit markiert, ist einem katholisiert aufwachsenden Österreicher kaum fremd. 
Somit ist uns auch das alttestamentarische Bild: „Ich richtete mein Gesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen, bei Fasten in Sack und Asche, zu bitten.“ (– Dan 9,3) mehr als vertraut.
Nach all dem Gefeiere des zurück liegenden Faschings, zumindest der 48% der Wiener, zu denen ich nicht gehöre (siehe gestrigen Eintrag: 
http://sprechstunde.meinblog.at/?blogId=52574) steht dem Christenmenschen schon etwas Besinnung und schlechtes Gewissen an.

Weshalb sich der Aschermittwoch auch zum Feiertag des Wutbürgers
(Zitat  Ulrich Hottelet vom 9. März 2011 Link unten) gewandelt hat, und am politischen Aschermittwoch ohne Sack und Asche nach Herzenslust die rhetorische Sau durchs Dorf getrieben und " das "Grundbedürfnis des Wutbürgers nach Emotionalisierung, Personalisierung und Zuspitzung"  befriedigt werden muss, dafür musste schon Wikipedia bemüht werden:
Seinem Ursprung nach ist er eine bayerische Institution. Die Wurzeln des politischen Aschermittwochs liegen im 16. Jahrhundert: 1580 trafen sich bayrische Bauern erstmals in Vilshofen an der Donau zum Vieh- und Rossmarkt und feilschten dabei nicht nur über die Preise, sondern diskutierten auch heftig die Themen des Tages, darunter seit dem 19. Jahrhundert auch die königlich-bayerische Politik.
Aha, ...

Weiter im Originaltext Hottelet: Die Freunde differenzierter, sachorientierter und rational abwägender Argumente in der Politik, sprich des Gebrauchs des Floretts statt des Dreschflegels, mögen sich von der Dampfhammer-Rhetorik leicht angewidert abwenden und sie ignorieren. Doch sie sind in der Minderheit, hat man allzu oft den Eindruck. Notorisch erinnert die Berichterstattung vom politischen Aschermittwoch alljährlich in nostalgischer Verklärung an Franz Josef Strauß (un-)selig, der seinerzeit die Biermaße genießenden Massen seiner Fans in der Passauer Nibelungenhalle zu Begeisterungsstürmen brachte. 
Nach Österreich hat diesen Brauch "die vom Himmel gefallenen Sonne aller Kärntner", DER JÖRG, gebracht.

2004: "Chirac, Blair und Schröder kommen mir vor wie die Drei Tenöre. Sie sind nicht mehr ganz taufrisch, sauteuer wenn sie auftreten, und sie vergreifen sich immer öfter im Ton" 
In der Vergangenheit oft kopiert und doch nicht erreicht von nachfolgenden Zahntechnikern. gibt es trotzdem auch heuer eine Neuauflage um
19:00 Uhr - Jahnturnhalle, 4910 Ried im Innkreis ...
 

Urprünglich war die bemüht unerschrockene Phrasendrescherei eher ein Betätigungsforum Wuchtel-schleudernder Rechter-Recken, jedoch wird der Termin inzwischen von allen politischen Richtungen zum schenkelklopfenden Reinsagen verwendet.

Aber fragen wir uns noch einmal, wieso das so gut funktioniert. Ulrich Hottelets Analyse der Lust an Emotionalisierung, Personalisierung und Zuspitzung trifft zwar das Phänomen, m.E. nicht aber die Ursache.
Dazu müssen wir wieder an die biblischen Wurzeln des Ganzen zurückkehren: 
Im Denken der drei großen Abrahamitischen Religionen, vorrangig im Christentum und überbordend in der Katholischen Ausformung, spielt der ständige Druck der kollektiven Schuld, die Last der Erbsünde eine zentrale Rolle, aus der wir alle nur kurzfristig (und mit etwas schlechtem Gewissen) ausbrechen dürfen ... CARNE VALE = LEB WOHL FLEISCH

Und jetzt nehmen wir ganz rasch einen scheinbaren Themenwechsel vor:

Die Proteste der Allgemeinbevölkerung gegen die Sparpakete der letzten Jahre sind doch relativ moderat gewesen ...  
Als am 28. März 2009 zu Protesten unter dem Titel 
"Wir zahlen nicht für eure Krise!" Am 28. März wird überall demonstriert. Sogar in Wien
aufgerufen wurde, war die Teilnehmermenge überschaubar (6000 laut Polizei, 20.000 laut Organisatoren, .... sorry, als freiwilliger und nicht für irgendeine Partei gekommener Teilnehmer muss ich eher der Polizei Recht geben, was auch das Youtube Video zeigt http://www.youtube.com/watch?v=FFEhzWn15V0
Drei Jahre später gibt es nicht einmal mehr einen Aufruf zu Protesten und der Slogan ist vergessen.  Googeln Sie mal danach!
UND WARUM ????

Jetzt schliesst sich der Kreis ... das eingeimpfte schlechte Gewissen wirkt:
Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt.
Der Wohlfahrtsstaat hat übertrieben.
Wer Leistungen vom Staat (der Schule, der Universität, dem Krankenhaus, ...) will muss dafür bezahlen.
Wir alle haben von den Finanzspekulationen profitiert, jetzt müssen wir eben alle unseren Beitrag leisten.

Der Profit der Banken wird gegen den auf Fremdwährungskredit Häusel-bauenden Mittelständler augerechnet,

die Liechtenstein’sche Stiftung gegen die staatliche Bausparprämie,

größzügige Standortförderungen internationaler Konzerne gegen die Kinderbeihilfe

WIR ALLE MÜSSEN JETZT UNSEREN BEITRAG LEISTEN, WEIL SIND WIR UNS DOCH EHRLICH, EIN BISSCHEN SCHULDBEWUSSTSEIN HABEN SIE DOCH AUCH, ODER?
Und so dürfen wir uns im Fasching ein bißchen austoben, am Aschermittwoch noch freuen, dass immer mehr Politiker uns scheinbar nach dem Mund reden, aber dann 
zurück ins Glied Systemerhalter

Zähne zusammenbeissen Wutbürger

vielleicht noch ab und an ein Kabaret (Wutbürger Düringer) , aber dann spucken wir wieder in die Hände ...
Geier Sturzflug - Bruttosozialprodukt 1983
Wenn früh am Morgen die Werksirene dröhnt
und die Stechuhr beim Stechen lustvoll stöhnt
in der Montagehalle die Neonsonne strahlt
und der Gabelstaplerführer mit der Stapelgabel prahlt
ja dann wird wieder in die Hände gespuckt
wir steigern das Bruttosozialprodukt
http://www.youtube.com/watch?v=RUdyqJuJOAs 
NA ABER, DAS HAT DOCH NUN WIRKLICH NICHTS MEHR MIT UNSEREM THEMA ZU TUN ....
(Ver)a(r)schermittwoch

Glauben Sie vielleicht. Sie glauben ja auch, dass Sie für Ihre eigene Krise zahlen ....
Was war 1983 ....

Günter Pehl Deutsche Wirtschaft 1982/83
Die weltweite Wirtschaftskrise dauert an — weiterhin schrumpfende Produktion und hohe, wachsende Arbeitslosigkeit
Alle Industriestaaten befinden sich in der größten und am längsten andauernden Weltwirtschaftskrise seit den dreißiger Jahren.
http://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/1982/1982-12-a-758.pdf

Na, klingelt es? Wir werden wir jetzt aus der Krise kommen? Na richtig, mit Wirtschaftswachstum sagt Herr Aiginger "Zum Wirtschaftswachstum verdammt " (http://kurier.at/wirtschaft/4479282-aiginger-zum-wirtschaftswachstum-verdammt.php)

und deshalb feiern Sie bitte mit mir heute den VERARSCHERMITTWOCH 
und gehen dann sofort wieder an die Arbeit, so Sie noch eine haben ...


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