Verantwortung für den Collie

Von Petwatch
Ein Kommentar von Stephanie Noelle
Sehr geehrter Herr Jung,
ich finde beide inzwischen erschienenen Artikel (im Magazin HundeWelt, CJ) generell begrüßenswert und längst überfällig. Grundsätzlich kann ich Ihre Recherche bezüglich der Erbkrankheiten, von denen der Collie betroffen ist, nur bestätigen. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Der Anteil an CEA-betroffenen Hunden ist mit 8% viel zu niedrig beschrieben. Er dürfte nach unseren Schätzungen bei ca. 60% liegen. Wir haben in unserem Club für Amerikanische Collies CfAC e.V. alle vom DOK für klinisch frei befundenen Collies zusätzlich einem Gentest unterzogen und haben dabei festgestellt, dass gut 60% der klinisch freien Hunde tatsächlich NICHT frei sind, sondern betroffen.

Aber unsere Ergebnisse sind nicht der eigentliche Grund, warum ich mich Ihnen gegenüber zu den Artikeln äußern möchte. Ich gehe mit Ihnen vollkommen konform, dass es die unbestrittene Aufgabe eines Zuchtvereines ist, die die Rasse belastenden Erbkrankheiten sicher zu diagnostizieren und mit einem entsprechenden Zuchtlenkungsprogramm zu bekämpfen und letztendlich zu eliminieren. Im Juni 2006 der Club für Amerikanische Collies e.V. gegründet.
Neue Zuchtordnung für den Collie
Wir haben eine Zuchtordnung erlassen, die es sich zur Hauptaufgabe macht, die Gesundheit und Wesensstärke des Collies zu verbessern und die in Europa (leider) bisher einzigartig ist. Jeder Zuchthund muss vor seiner Verwendung einen Wesenstest bestehen und wird genetisch getestet auf MDR1, PRA, GCS und CEA-CH. Weiter muss eine klinische DOK-Untersuchung auf alle anderen erblichen Augenerkrankungen vorliegen.
Und Zuchtlenkung in zwei Stufen
Das alleine ist ja ganz schön und gut, aber die Tests sind nur die Basis, um die erbliche Belastung eines Zuchttieres festzustellen, BEVOR ich mit ihm züchte. Jetzt kommen unsere Zuchtlenkungsprogramme zur Anwendung, die ganz klare Richtlinien beinhalten, welche Hunde ich auf Grund ihrer evtl. erblichen Belastungen miteinander verpaaren darf, und welche NICHT. Als wir vor vier Jahren begonnen haben, starteten auch wir mit Zuchthunden, die von MDR1 betroffen waren und die z.T. milde CEA hatten, von der wir nichts wussten weil, die klinische DOK-Untersuchung sie für frei befunden hatte und der Gentest noch nicht erhältlich war. Unser Focus lag daher auf der MDR1 Erkrankung, die durch den Gentest der Uni Gießen endlich sicher diagnostiziert werden konnte. Der Anteil an vom MDR1 Defekt direkt betroffenen Zuchthunden lag damals bei ca. 60%. Die erste Stufe unseres Zuchtlenkungsprogramms sah vor, den Anteil von betroffenen Welpen auf unter 25% zu drücken. Vom MDR1 Defekt betroffene -/- Hunde durften nur noch mit genetisch freien +/+ Hunden verpaart werden, lediglich heterozygote +/- Hunde durften noch miteinander verpaart werden. ALLE Welpen eines Wurfes mussten genetisch auf MDR1 getestet werden. Wenn ein Züchter sich einen künftigen Zuchtanwärter auswählte, dann  wurden genetisch freie +/+ Hunde bevorzugt, betroffene -/- Hunde kamen kaum mehr in die Auswahl. In den folgenden drei Jahren vollzog sich altersbedingt unter den Zuchthunden des Vereins ein Generationenwechsel, die neue Generation der Zuchthunde war zum größten Teil genetisch frei vom MDR1 Defekt +/+, bzw. heterozygoter Träger, also selber nicht betroffen.

Es geht: Collies frei vom MDR1-Gendefekt!
Dann trat Stufe zwei des Zuchtlenkungsprogramms in Kraft und seitdem muss mindestens ein Zuchtpartner  genetisch frei +/+ von MDR1 sein, so dass im CfAC e.V. KEINE VOM MDR1 BETROFFENEN WELPEN MEHR GEBOREN WERDEN!  Ich schildere unsere Vorgehensweise so ausführlich um darzulegen, dass es sehr wohl möglich ist, eine Erkrankung mit einem einfach dominant-rezessiven Erbgang wie bei MDR1, PRA, GCS und CEA-CH innerhalb kürzester Zeit in den Griff zu bekommen und ausschließlich klinisch freie Welpen zu züchten.
Ohne Inzucht oder Linienzucht
Dabei mussten wir keineswegs auf Linienzucht oder gar Inzucht zurückgreifen, obwohl unsere Population im Vergleich zu den FCI-Hunden sehr klein ist. Es geht auch nicht darum, betroffene Hunde aus dem Zuchtgeschehen zu eliminieren, sondern sie verantwortungsvoll anzupaaren und so trotzdem ihre Qualitäten zu erhalten und den Genpool nicht einzuschränken. Inzwischen gibt es den erwähnten CEA-CH Gentest, der uns den realen Ist-Zustand der CEA-Belastung unserer Hunde erfassen lässt und der nun wiederum ein Zuchtlenkungsprogramm speziell für CEA zu Folge hat, das ähnlich dem zur Bekämpfung des MDR1 Defektes ist. Was PRA und GCS betrifft, so sind alle getesteten Hund bisher erblich unbelastet, was auch zu unbelasteten und gesunden Welpen führt.
Jedes Jahr werden bei uns im Club  mehr und mehr genetisch komplett unbelastete (sog. non-carrier) Welpen für ALLE vier Erkrankungen wie MDR1, CEA, PRA und GCS geboren, die in den nächsten Jahren unsere Bemühungen weiter voranbringen und die Zucht weiter verbessern werden. Züchten heißt veredeln und nicht vermehren. Es ist möglich! Wir praktizieren es täglich. Schade nur Herr Jung, dass Sie unsere Arbeit und unsere Erfolge unerwähnt ließen und sich gänzlich auf das Negativbeispiel der VDH-Vereine konzentriert hatten.
Mit freundlichen Grüßen
Stephanie Noelle
1. Vorsitzende CfAC e.V.
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Anmerkung CJ: Ich freue mich, dass es solche positiven Beispiele aus dem Zuchtgeschehen gibt. Es geht also! (Die Zwischenüberschriften im Text stammen von mir; die Fotos von Frau Noelle)