Die Zeiten ändern sich
«Tempora mutantur et nos mutamur in illis» – «Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.» Als Schülerin habe ich diese lateinische Redensart oft aufgesagt, weil ich den galoppierenden Rhythmus eines Hexameters nicht nur lustig, sondern – einem Mantra gleich – auch als beruhigend empfand. Die Bedeutung der Redensart war für mich damals Nebensache.
Die Kinder erklimmen die Lebenstreppe
Dieser Tage leiere ich den Spruch wieder rauf und runter. Unterdessen habe ich den Sinn auch deutlich verstanden: Wie haben sich doch die Zeiten im Nu und wie habe auch ich mich mit ihnen verändert! Die Kinder sind längst keine Buben mehr, sondern Jungs geworden. Der Ältere hat mich grössenmässig überholt, der Jüngere wird es bald tun. Ihr Bewegungsradius hat sich erweitert. Sie sind selbständiger, sie kommen und gehen und strotzen nur so vor Energie und Lebensfreude. Die beiden erklimmen die Lebenstreppe in Riesenschritten, schnuppern bereits am Duft der grossen weiten Welt und freuen sich auf die unbegrenzten Möglichkeiten, die sich ihnen bald eröffnen werden.
Die Eltern stehen vor dem Abstieg
Und ich? Ich stelle fest, dass ich nun definitiv in meinen Fünfzigern angekommen bin und mich in einer immer höheren Kadenz ebenfalls verändere: Graue Haare, Falten, Altersflecken und grössere und kleinere Wehwehchen machen sich immer öfters und deutlicher bemerkbar. Auf der Lebenstreppe, die bei fünfzig Jahren den Höhepunkt aufweist, beginnt der Abstieg. Auch wenn das normal ist, so machen mich diese Veränderungen auch etwas nostalgisch. Sich einzugestehen, dass manche Dinge nicht mehr möglich sind, ist nicht leicht zu akzeptieren. In solchen Augenblicken leiere ich also den Hexameter wie ein Mantra vor mich hin. Zum Glück vermag er mir immer noch ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern und mich zu beruhigen. Denn der Wandel ist die einzige Konstante, die wir im Leben haben und Veränderungen bergen – so hoffe ich zumindest – auch für mich noch Chancen.
immer mittwochs im Tagblatt der Stadt Zürich
Wie geht ihr um mit dem stetigen Wandel im (Familien-)Leben? Bereitet es euch Mühe, älter zu werden?
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