Verachtung, Ausgrenzung, Gewalt

Verachtung, Ausgrenzung, Gewalt

Verachtung, Ausgrenzung, Gewalt

Obdachlose und Mehrheitsgesellschaft

Von Markus Bernhardt

Die Verachtung, die Obdachlosen und sozial Deklassierten vielerorts entgegenschlägt, ist auch bei der sogenannten politischen Mitte heimisch. Es ist ein Verdienst des Historikers Lucius Teidelbaum, daran in seinem Buch »Obdachlosenhaß und Sozialdarwinismus« zu erinnern. Der Autor gibt einen kompakten Überblick über die Verfolgung Obdachloser und benennt die Motivation der Täter, die sich auf die Suche nach »Pennern« und »Assis« – so die gängigsten Haß- und Diffamierungsbezeichnungen – machen, um diese zu »klatschen«. Tatsächlich werden die marginalisierten Wohnungslosen, die faktisch über keine Lobby verfügen, oft Opfer von Ausgrenzung und nicht selten von Gewalt, die meist von jungen Männern ausgeht. Allein von 1989 bis 2009 wurden – Angaben der »Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe« (BAGW) zufolge – insgesamt 167 Menschen von Tätern, die nicht selbst obdachlos waren, umgebracht. Obwohl diese Ziffer durch Statistiken auch anderer Organisationen bestätigt wird, tauchen Wohnungslose nur selten in den Polizeidatensätzen über Opfer rechter Gewalt auf. Auch vor Gericht wird der oft vorhandene neofaschistische Hintergrund vieler Täter ausgespart. Zum Verhalten der sogenannten Mitte konstatierte der Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer in einem Interview: »Die Besserverdienenden setzen ganz selbstverständlich auf Leistungsgerechtigkeit, und bei dieser Gruppe funktioniert entsprechend das Muster der Abwertung von Menschen, wenn eine geforderte Leistung nicht erbracht wird oder nur vermeintlich nicht erbracht wird«. Teidelbaum plädiert dafür, Obdachlose als eigene Gruppe von Opfern rechter Gewalt in den Polizeistatistiken zu führen. Ungewohnt seltene und zugleich erfrischende Kritik übt der Autor an der politischen Linken, die sogenannte soziale Randgruppen zwar nicht offen anfeinde, sie jedoch ignoriere. Kritisch anzumerken ist, daß er auf nur knapp eineinhalb Seiten versucht nachzuweisen, daß es auch »Sozialdarwinismus in der DDR« gegeben habe. Wäre das ausführlicher ausgefallen und mit mehr Hintergrundinformationen versehen, wäre sein Versuch deutlich glaubwürdiger.

Lucius Teidelbaum: Obdachlosenhaß und Sozialdarwinismus. Unrast, Münster 2013, 80 Seiten, 7,80 Euro http://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/obdachlosenhass-und-sozialdarwinismus-detail

quelle http://www.jungewelt.de/2014/01-20/008.php?sstr=obdachlos

http://www.bagw.de/

Informationen zum Thema

File:Obdachloser0001.JPG

aktuell http://www.fr-online.de/wiesbaden/obdachlos-der-mann-aus-dem-wald,1472860,25935638.html

blogbeiträge http://mantovan9.wordpress.com/?s=obdachlos

Foto http://de.wikipedia.org/wiki/Obdachlosigkeit


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