Veröffentlicht am 22. November 2013 | von Martina Zerovnik
0Venus im Pelz
Venus im Pelz Martina ZerovnikWertung
Summary: gut inszenierter und wunderbar gespielter Reigen zwischen Regisseur und Schauspielerin, prickelnd, frech und erheiternd
4.5
Drama
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„Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hände gegeben.“ Was ein Autor und Regisseur zu erwarten hat, wenn er seinem Werk solch ein Zitat voranstellt, das führt Roman Polanski in seinem neuesten Film Venus im Pelz vor.
Dieser Satz aus dem Alten Testament findet sich bereits in der literarischen Vorlage von Leopold von Sacher-Masoch, die David Ives zu einem Broadway-Stück und diese wiederum Polanski zu seinem Film inspirierte. Raum und Handlung sind eng umrissen. Die Kamera fährt bei sich zusammenbrauendem Wetter eine Pariser Allee entlang, steuert auf ein Theater zu, gleitet durch die Türen und steht mit einem Schwung im Saal, wo der Regisseur Thomas (Mathieu Amalric) erschöpft und enttäuscht von den Leistungen der Bewerberinnen für die weibliche Hauptrolle in seinem Stück zurückgeblieben ist. Das ist der Auftritt von Vanda (Emmanuelle Seigner), einer von der Fahrt durch die Stadt und dem Lauf durch den Regen ramponierten, Kaugummi kauenden Schauspielerin, die sich eigens für das Vorsprechen in ein billig, nach Dirne aussehendes Kostüm aus dem 18. Jahrhundert gezwängt und das Drehbuch in der U-Bahn quergelesen hat. Thomas will sie nicht mehr vorsprechen lassen, aber was er will, darum geht es bald ohnehin nicht mehr.
Vanda lautet auch der Name der Protagonistin im Stück, Wanda von Dunajew, um genau zu sein, wie die Herrin bei Sacher-Masoch, der sich der junge Severin als „im Staub liegender“ Sklave verpflichtet. Der Ahnherr des Masochismus zeichnete in seiner 1870 publizierten Novelle das Bild eines sich vollends in den Willen eines anderen gebenden Menschen, der aus seiner Unterwürfigkeit und Dienerschaft Glück und Lust empfindet. Das Schlüsselerlebnis zu Severins Neigung bildete eine Bestrafung durch dessen Tante, die einen Pelz trug, als sie ihn züchtigte.
So beginnt auch Polanski ein Spiel, bei dem nicht Thomas, sondern Vanda die Regie übernimmt, die den Text, wie sich mit der Zeit herausstellt, nicht nur auswendig, sondern auch zum Leben zu erwecken weiß. Dabei ist sie zugleich Verführerin und unerbittliche Kritikerin, indem sie Thomas einerseits mit ihrer reizvollen Inszenierung lockt und andererseits ständig zu Rechtfertigungen für seinen Text zwingt. Perfektes Spiel, Anziehungskraft und knisternde Erotik machen Thomas gefügig und lassen ihn sich Vanda immer näher kommen, bis sie ihn mit dem Vorwurf von Pornografie, Sexismus und Frauenfeindlichkeit wieder von sich stößt und er sie als dumme Kuh beschimpft. Ab und zu ist es auch sein Handy, das ihn per „Wallkürenritt“ (Anruf seiner Verlobten) in die Realität zurückholt.
Viele Zufälle und Umstände, die eigentlich nichts bedeuten sollen, begleiten Polanskis Venus im Pelz. Da ist zum einen die Besetzung der Vanda mit Emmanuelle Seigner, mit der Polanski seit gut fünfundzwanzig Jahren verheiratet ist. Das braucht man nicht überzustrapazieren. Dann besteht zwischen Mathieu Amalric als Regisseur Thomas und dem jungen Polanski eine verblüffende Ähnlichkeit. Und weiter ist der Film nicht nur ein Meisterstück der Inszenierung, sondern macht auch diese und die aufs Wesentlichste reduzierten Komponenten von Regisseur und Schauspieler selbst zum Thema. Regie zu führen, ist Macht ebenso wie Unterwerfung, und dasselbe gilt für das Schauspiel. Die Rollen sind nicht festgeschrieben. Wer am Ende das Spiel für sich entscheidet? In Venus im Pelz ist es klar. Vanda bringt Thomas dazu, sein wahres Gesicht zu zeigen, und zeigt selbst das ihre – und das ist toll!
Polanskis Film ist humorvoll, schenkt Momente zum Schmunzeln und so viele Rätsel, dass er auch Kritikern und Publikum genug zum Nachdenken aufgibt. Zum Glück lassen sich aber die Fäden, die der Regisseur zieht, nicht gänzlich entwirren und so ist Venus im Pelz auch eine gut inszenierte und wunderbar gespielte Reverenz aufs Filmemachen, inklusive Selbstironie und verdientem Seitenhieb auf die Filmkritik. Der Sacher-Masochsche Severin sagt von sich selbst, dass er nichts weiter sei, als ein „Dilettant in der Malerei, in der Poesie, der Musik und noch in einigen anderen jener sogenannten brotlosen Künste“. Das kann man von Roman Polanski nicht behaupten. Und der Nachsatz, Severin sei ein Dilettant im Leben, der trifft wohl auf uns alle zu.
Regie: Roman Polanski, Drehbuch: Roman Polanski, David Ives
Darsteller: Emmanuelle Seigner, Mathieu Amalric
Laufzeit: 96 Minuten, Kinostart: 22.11.2013, www.venusimpelz-derfilm.de
Tags:4.5 von 5DramaEmmanuelle SeignerMathieu AmalricPolyfilmRoman PolanskiRomanverfilmung
Über den Autor
Martina Zerovnik Aufgabenbereich selbst definiert als: Filmleserin. Lächelt über “Oh diese Technik [Film] ist sehr entwicklungsfähig, fast reif zur Kunst” (Döblin).