Bisher stand ich Komödien im Theater immer eher skeptisch gegenüber – allzu leicht wirkt das Komische dann doch sehr albern. Bei Marcus Morlinghaus‘ Inszenierung von „Venise sous la neige“ erwies sich dieses Vorurteil allerdings als unbegründet. Die Übertreibung geht nie so weit, dass man sich nicht immer noch in die Figuren hineinversetzen kann. Und die bringen sich zum Teil in derart unmögliche Situationen, dass man kaum hinsehen kann, so sehr fühlt man sich selbst betroffen. Glücklicherweise rettet die Komik einen sofort wieder aus solch beklemmenden Situationen. Autor Gilles Dyrek nimmt sich in seinem Stück nicht nur diverse Klischees vor (ohne dabei plump zu wirken), er schafft auch durch seine Dramaturgie immer wieder geniale Gegensätze und unendliche Reihen von Missverständnissen, das Ganze gespickt mit sehr viel Wortwitz und Liebe zum Detail. So macht schon die erste Szene sehr viel Spaß, als das verliebte, kurz vor der Hochzeit stehende und dauerknutschende Pärchen Nathalie (Cécile Bagieu) und Jean-Luc (Thierry Seroz), die füreinander nur „Chouchou“ und „Chérie“ heißen, Jean-Lucs alten Studienfreund Christophe (Marcus Morlinghaus) und dessen Freundin Patricia (Marie Navarre-Nebel) empfängt. Leider haben sich die beiden gerade fürchterlich gestritten und sie denkt über Trennung nach. Da Patricia aus Trotz zunächst kein Wort redet, kommt es zu einem großen Missverständnis, auf dem alle weiteren Geschehnisse basieren: Die Gastgeber halten Patricia für eine Ausländerin, die kein Wort Französisch versteht. Eine überraschende Wendung nimmt der Abend dann allerdings, als sie den Irrtum begreift und für sich zu nutzen beginnt. Marie Nebel zuzuschauen, wie sie plötzlich virtuos „chouvenisch“ spricht und mehr und mehr in ihrer Rolle aufgeht bis sie alle in der Hand hat, macht wirklich Spaß. Überhaupt verdankt die Inszenierung auch viel der schauspielerischen Leistung aller vier Darsteller. So überzeichnet und unrealistisch manche Szenen auch wirken, die Schauspieler sind so überzeugend, dass man ihnen gerne alles glaubt.
Die Komödie nimmt die Perspektive des Kleinbürgers auf die Schippe, der kaum über seinen Tellerrand hinaussehen kann, sich aber trotzdem gern weltoffen, großzügig und supertolerant gibt. Dabei schießt er hier einerseits weit über das Ziel hinaus, demonstriert andererseits das genaue Gegenteil und macht sich durch seinen unbegrenzten „guten Willen“ bereitwillig selbst zum Opfer. Am Ende ist man hin- und hergerissen, ob man nun Mitleid empfinden soll oder doch eher Schadenfreude.
Frankophilen und frankophonen Theatergängern sei diese Inszenierung auf jeden Fall sehr ans Herz gelegt. Weitere Aufführungen gibt es vom 6. bis 9. November, jeweils um 20 Uhr.