“Veganmagazin” – Debatte: Ernährungsrevolution

Von Hartstein

GI-Lesermeinung

„…Die vegane Idee ist famos und hat in der Tat „revolutionären“ (im Sinne von Veränderung) Aufbruchcharakter. Allerdings lese ich aus den verschiedenen Texten zwischen Aufbruch und Ermutigung auch eine wenig Revolutionsromantik.

Ein weniger an Fleisch oder gar ein Boykott von Tierprodukten eines jeden einzelnen wird noch keine (wirtschaftliche) Revolution ankurbeln, das hat auch Jonathan Safran Foer in seinem „Buch Tiere“ essen so herausgearbeitet. Das Abstimmen über den Kassenbon sorgt lediglich für ein sich selbst Herausnehmen aus der Gleichung und soweit es in der Masse stattfindet, für einen zeitweisen Richtungswechsel und geschicktes Lancieren in oberen Firmenetagen. Arbeitnehmerrechte, Ressourcenproblematik und Überproduktion (Marktgesetze) bleiben davon komplett unberührt. Es geht also, unter einem anderen Label (Bio, Fairtrade, Vegan) weiter wie bisher. Es folgen Marktkämpfe, Preisdumpings, Lebensmittelskandale, etc…

Auch die immer noch nicht ausgestandene Energiewende hat in letzter Konsequenz verdeutlicht, dass nicht Konsumentscheidungen (Anbieterwechsel) entscheidend waren für einen sogenannten Atomausstieg, sondern erst das erneute „worst case scenario“: Fukushima! Und dies, obwohl engagierte Menschen über 40 Jahre lang demonstriert, blockiert und ihre Stromanbieter gewechselt haben. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung war immer gegen (humanitäre) Kriegseinsätze, gegen Atomkraft, gegen Gentechnik. Nichtsdestotrotz sehen das – und agieren Politiker – immer wieder konträr.

Es ist in der Tat so, dass der Kapitalismus jede westliche (Sub)Kulturbewegung (Punk, Hardcore, Metal, Öko, Fairtrade, Bio bei Discountern) und selbst hoheitliche Aufgaben (Bildung, Wasserprivatisierung, Frontex) assimiliert und kapitalisiert hat. Eine wirklich tiefgreifende Veränderung kann deshalb nur stattfinden, wenn eine kritische Masse aus allen Gesellschaftsschichten, nicht nur ihren Konsum verändert, sondern auch vehement politischen Druck erzeugt. Da sich die Palette von Bio Fairtrade, vegetarisch/vegan in der Masse an die gehobene Mittel und Oberschicht richtet, wird es hier in absehbarer Zeit vermutlich nicht zu einer friedlichen Ernährungsrevolution kommen.

Leider wird im Gegenbericht von Herrn Vagedes impliziert, dass es als Alternative zum Kapitalismus (nur) den Kommunismus gibt. Der (rheinische) Kapitalismus oder die soziale Marktwirtschaft ist eine Wirtschaftsform, eingebettet in eine sogenannte Demokratie. Der Kommunismus ist eine (diktatorische) Staatsform, die sich jedoch ebenfalls wunderbar mit dem Kapitalismus kombinieren lässt, was China und die Oligarchen Russlands seit mehreren Jahren vorbildlich aufzeigen. Unser Grundgesetz schreibt keine bestimmte Wirtschaftsform vor, nur sozial und „enkeltauglich“ sollte sie sein, was der Kapitalismus und seine Abarten nie sein können. Die soziale Marktwirtschaft ist sicherlich nicht die Hölle auf Erden, aber sie ist auch nicht das Heilsversprechen der Zukunft. Kapitalistische Ökonomien produzieren stets eine kleine Schicht reicher und eine umso größere Schicht armer Menschen; explizit seit über 200 Jahren.

Auf einen kurzen Nenner gebracht bedeutet Kapitalismus immer Konkurrenz und diese endet fast immer im (Wirtschafts)Krieg, was uns die Geschichte immer wieder aufgezeigt hat. Es geht um Handelswege, Ressourcen, Einflussgebiete, Marktanteile, Profite; alles wird vermarktet und verwertet. Solange, wie einflussreiche Netzwerke zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Lobbygruppen und Medien bestehen, werden Lebensgrundlage, Mensch und Tier immer hintanstehen und Ware bleiben; ob unter dem Label „Flower Power“ oder eben „Vegan“!