"Ich lerne zu Veganisieren, so dass auch meine veganen Superhelden-Freunde bei mir essen wollen!"
★★★★★☆☆
///George
Rezension von Celine Steen und Joni Marie Newmans "Vegan Kochen"
Vegan zu kochen steht bei mir immer mal auf dem Programm. Einerseits, weil das ein oder andere Gericht ohnehin vegan ist - Pommes, Chili sin carne, viele Salate. Andererseits immer dann, wenn liebe Menschen mit veganen Superfähigkeiten zu Besuch kommen. Das letzte von uns besprochene Kochbuch zum Thema von Attila Hildmann war nicht so der Knaller und mit "Vegan Kochen" der beiden in den USA lebenden Veganerinnen Celine Steen und Joni Marie Newman liegt nun ein zweiter Versuch vor. Etwas, was ich zunächst immer mache, wenn ein Kochbuch ins Deutsche übersetzt wird, ist den Originaltitel anzuschauen, denn oft passieren hier Interessantes. So auch hier. Denn was im Deutschen als "Vegan Kochen" mit dem kleinen Untertitel "So klappt die Umstellung" veröffentlicht wird, heißt im Original "The complete Guide to vegan food substitutions". Aha! Ein komplettes Handbuch für vegane Lebensmittel-Substitutionen. Und schon erstrahlt das vermeintliche Kochbuch in einem anderen Licht. Dies werde ich berücksichtigen, wenn ich das Buch anhand unserer regulären Bewertungskategorien betrachte.
Persönlichkeit - ★★★★☆☆☆Die beiden in Kalifornien lebenden Autorinnen erscheinen auf den ersten Blick recht unterschiedlich. Die sehr schlanke, gebürtige Schweizerin Celine Steen kümmert sich vornehmlich um Süßkram wie Brotaufstriche, Desserts und Torten und erscheint dabei sehr ruhig und zurückhaltend. Die - wie sagt man es politisch korrekt? - nicht ganz so schlanke Joni Marie Newman hingegen steckt ihr Herzblut in deftige Gerichte, allen voran vegane Burger und ist dabei sehr laut und einnehmend und feiert sich selbst als "Vegan Burger Queen". Beide sind übrigens keine ausgebildeten Köchinnen, sondern Blogger, die sich über das Netz kennenlernten und überlegten gemeinsam Bücher zu veröffentlichen. Nicht ungewöhnlich in den USA, hierzulande aber (noch) eher nicht die Regel. "Warum gibst du bei so vielen Details nur vier Sterne auf die Persönlichkeit?" Ganz einfach, weil ich diese Punkte nicht aus dem Buch, sondern aus ihren Blogs erfahren habe. Im Buch halten sich die beiden nämlich arg zurück mit guten Geschichten. Nur hier und da finden sich ein paar
Rezepte - ★★★★★★☆An dieser Stelle kommt der Originaltitel ins Spiel: es geht um vegane Alternativen von gängigen Rezepten, also um ein Guide, ein Handbuch für das gewisse Know-How. Nur selten wird etwas genuin veganes gekocht, sondern es wird in die Vollen gegriffen: von French Toast und Quiche, über Bacon-Cheese-Burger und Sushi bis zur Crème Brûlée und Eiscreme, alles ohne Milch, Käse, Eier, Fleich, Fisch und Honig. (Ich persönlich mag die kokettierende SFW!-Haltung der beiden bzgl. der Rezeptnamen übrigens sehr.) Wichtig ist hier natürlich immer (immer!), dass es sich um Alternativen handelt, d.h. um den Austausch mittels Produkten, die den tierischen Produkten in Aussehen, Geschmack, Konsistenz und/oder Funktion lediglich ähneln. Die Rezepte selbst sind einfach nachzukochen und die notwendigen Zutaten sind in gut sortierten Lebensmittelläden erhältlich, können aber nicht unbedingt durchweg überzuegen. Einige Knaller sind definitiv dabei, aber auch einges, was man zügig überblättern kann.
Das wichtigste, und daher kommen auch die 6 Sterne, sind die Auflistungen von veganen Ersatzprodukten! Hiermit haben die beiden nämlich tatsächlich den Guide-Anspruch erfüllt: detaillierte Listen erklären, in welchem Zusammenhang welche Alternativen heranzuziehen sind. Eier etwa erfüllen vorallem beim Backen ja unterschiedliche Funktionen und so führen die beiden in übersichtlichen Tabellen auf, welche Alternativen jeweils zu empfehlen sind, jenachdem ob das Ei Bindemittel, Treibmittel oder für die nötige Feuchtigkeiten sorgen soll und auch abhängig davon, ob es sich um süße oder herzhafte Gerichte handelt. Auflistungen dieser Art gibt es auch für Milch, Käse, Fleisch, Fisch, Honig, Gelantine und sogar für die üblichen Verdächtigen Zutaten bei Allergikern wie Gluten, Soja, Zucker und Fett. Der absolute Gewinn also: ich lerne zu Veganisieren und kann dementsprechend meine eigenen Lieblingsrezepte so umgestalten, dass auch meine veganen Superhelden-Freunde bei mir essen wollen!
Fotos - ★★★★☆☆☆Die Fotos stammen allesamt von Celine Steen, die ein gutes Händchen für Beleuchtung, Perspektiven und Details hat. Die meisten der Fotos machen mich sofort an, wobei es auch einige Aufnahmen gibt, die es nicht unbedingt in das Buch hätten schaffen müssen. Großes Manko jedoch, nur gut ein Viertel der Gerichte ist tatsächlich mit einem Foto dargestellt. Die Kür also sehr solide, die Pflicht aber mehr schlecht als recht gemeistert. Das sorgt für Abzüge in der A-Note!
Übersichtlichkeit - ★★★★★★☆Die Kapitel sind nach Alternativen für fünf nicht-vegane Produktgruppen geordnet: Milchprodukte, Eier, Fisch und Fleisch, Honig und Gelantine, sowie Gluten, Soja, Zucker und Fette. Jedes Kapitel beginnt mit einer Übersicht darüber, welche Alternativen in welchen Fällen sinnvoll erscheinen. Eine gekürzte Übersicht dieser Liste befindet sich auch im Anhang. In den Rezepten selbst ist auch nocheinmal gekennzeichnet, welche Zutat für was zusatändig ist. Das ist besodners hilfreich, wenn gleich mehere Zutaten ersetz werden sollen und man nicht sicher ist, was etwa das Ei und was den Käse ersetzen soll. Die Menge der Rezepte reicht in der Regel einheitlich für zwei bis drei hungrige Esser. Der Index ist nicht optimal, da er immer wieder Mal die "Kalt gerührte Beerenkonfitüre"-Situation forciert. So finden sich insgesamt drei Rezepte für Brownies im Buch, aber nur zwei sind unter "B" zu finden. Das dritte Rezept steht unter "W" wie "Walnuss-Brownies".
Auf zum Praxistest. In der letzten Zeit gab es bei uns immer wieder vegane Gerichte und dabei wurden bewährte Rezepte substituiert, was tatsächlich gut funktionierte und sowohl geschmacklich als auch von der Konsistenz her verblüffen konnte. Wer großen Wert auf das Aussehen legt, kann an der ein oder anderen Stelle noch "nachfärben". Eine käselose Käsesauce aus Sojamilch, Margarine, Mehl, Hefeflocken und Misopaste etwa, lässt sich tatsächlich gut für Mac-N-Cheese verwenden, kommt aber eher blass daher. Etwas Kurkuma hilft da weiter. Vorstellen möchte ich aber etwas, was ich beim Austausch für anspruchsvoller halte, nämlich auf Eier, Milch und Butter in einem Backrezept zu verzichten. Das Rezept aus dem Buch habe ich an ein paar kleinen Stellen den eigenen Vorlieben angepasst.
Vegane Erdnuss-Brownies
Zutaten:250ml Soja-Reis-Milch
20g Zucker
10g Kakao
20g Stärke
80g Nüsse (hier: je 40g Mandeln und Erdnüsse)
100g Vollrohrzucker
100g Rohrzucker
60g Margarine
125g Mehl
2 EL Erdnussbutter
1 EL Vanillezucker o.ä.
½ TL Backpulver
100g Zartbitterschokolade
Salz
Ofen auf 180°C vorheizen. Auflaufform einfetten. Milch, 20g Zucker, Kakao, Stärke und eine Prise Salz gut verrühren und in einem Topf zum Kochen bringen. Etwa 5 Minuten bei mittlerer Hitze köcheln lassen und dann beiseite Stellen. (You just made vegan Schokopudding!) Nüsse und beide Zuckersorten in einem Mixer sehr fein zermahlen. In eine große Schüssel geben und mit der Margarine, Erdnussbutter, Vanillezucker, Mehl, eine Prise Salz und Backpulver verrühren. Schokolade in kleine Stückchen hacken und zusammen mit der aufgekochten Schoko-Milch-Masse zügig unter die trockenen Zutaten heben. Masse in die Auflaufform geben und für rund 30 Minuten backen, bis sich die Seiten vom Rand lösen und der Teig nur in der Mitte noch etwas wibbly-wobbly ist. Oder (Teile der) Masse portionsweise in feuerfeste Tassen geben und im Ofen backen. Hier muss man je nach größe der Tassen auf eine kürzere Backzeit achten. Abkühlen lassen. Bingo.
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Praxistest - ★★★★★★☆
In meinen regulären Brownies verwende ich Butter, Milch, Eier und Milchschokolade, die für eine vegane Variante allesamt irgendwie ersetzt werden müssen. Ich habe nicht mein Rezept veganisiert, sondern auf ein Rezept von Steen und Newman zurückgegriffen, die den Trick aber gut meistern. Der Schokopudding verleiht den Brownies die saftige Konsistenz und Zartbitterschokolade ist von sich aus bereits vegan, lässt die Brownies aber auch herber daherkommen. Vorgeschlagene Alternativen in verschiedenen Kombinationen wären auch Bananenmus (was vermutlich eine süßere Note verleiht) oder pürrierte Kichererbsen (die geschmacklich bei der ganzen Schokolade tatsächlich untergehen) bis hin zu fertigen Eiersatzprodukten gewesen. Bei der Wahl der Milch hängt viel vom eigenen Geschmack ab, da sich anstelle der regulären Kuhmilch eine ganze Reihe von Sorten anbieten: Soja, Reis, Hafer, Mandel, etc. Insgesamt bin ich aber sehr positiv überrascht und freue mich über mehr feintuning.
Geben wir nun die Einzelwertungen in meine geheime Formel mit der Bauchgefühlskonstanten ein, erhalten wir folgendes, subjektives Ergebnis:
Gesamtwertung - ★★★★★☆☆
Vielmehr das im Originaltitel angekündigte Handbuch für Neu-Veganer als ein klassisches Kochbuch, dass aber mit cleveren und alltagstauglichen Alternativen zur Veganisierung aufwaten kann.
Celine Steen und Joni Marie Newman
Vegan Kochen
So klappt die Umstellung
272 Seiten, 56 Abbildungen, gebunden
erschienen bei Dorling Kindersley Verlag
ISBN 978-3-8310-2115-4
Preis: 14,95 €