Genau um 11.28 Uhr, am 12.12.12., war es endlich soweit: Der erste päpstliche Tweet erblickte das Licht der digitalen Welt. Nachdem Tausende Tweets auf den 8 päpstlichen Twitter Accounts eingingen – die meisten waren …äh, eher lustiger Natur – antwortete der heilige unfehlbare Stuhl mit einer völlig belanglosen Allerweltsnachricht, die noch uninteressanter war, als der sprichwörtliche umgefallene Sack Reis in China: “Liebe Freunde! Gerne verbinde ich mich mit euch über Twitter. Danke für die netten Antworten. Von Herzen segne ich euch”.
Kritiker fanden das irgendwie enttäuschend, oder besser gesagt, irritierend. Die Twitter Comunity leiteten den Post trotzdem innerhalb kürzester Zeit 30.000 Mal weiter. Man hatte das Gefühl, dass ein (analogs) Kalenderblättchen mit (digitaler) Tageslosung ins Web gesetzt worden ist: absolut fehl am Platz, rätselhaft in seiner altbackenen und gestrig anmutenden Nicht-Botschaft – eine leere Phrase, die einem geistiges Weltbild aus dem 19. Jahrhundert entspricht, und auch wohl nur die Hardcore Katholiken ansprechen kann. Die indes sind wahrscheinlich gar nicht mit Twittern vertraut.
Der Papst sitzt auf einem offiziellen Foto vor seinem iPad, und scheint im Zeitlupentempo eine virtuelle Taste zu drücken, ganz im Adler Suchsystem: dreimal kreisen, einmal zuschlagen. Wo war gleich noch mal das P, oder die Enter Taste? Gut seien wir fair, der alte Herr mag eher mit den gewohnten analogen Medien und mit rhetorischem Instrumentarium vertraut sein, was ja auch schon ehrenwert ist. Seine Rede ist klar und geprägt von einem scharfen Verstand. Diese Aura des Gelehrten und Ehrwürdigen in die digitale Popkultur zu übertragen kann nicht gelingen, schon gar nicht, wenn drei Voraussetzungen fehlen:
1. Humor. Humor und Ehrwürdigkeit schliessen sich wohl aus. Selbstironie ist unbekannt. Der Absolutheitsanspruch der eigenen Person verbietet es, sich humorvoll über mögliche eigene Fehler oder Unzulässigkeiten lustig zu machen. Nein, wir sind ernst und immer richtig.
2. Dialogbereitschaft. Nein, der Papst argumentiert nicht beim Thema Glauben. Glauben ist Glaubenssache und zugleich ein Dogma, das nicht logisch oder wissenschaftlich zu diskutieren ist. Deswegen heisst es ja Glauben, und nicht etwas Das Wissen um Jesus und unserem Herrn und Gott. Interpretationen der biblischen Texte im Kontext der aktuellen Kultur und Ethik unserer Informations- und Leistungsgesellschaft findet nicht statt. Nur Verkündung im Sinne einer rechthaberischen und selbstgefälligen Missionierungsmentalität.
3. Progressive Empathie. Der Puls der Zeit und die geistig-seelische Welt der Gegenwart sind dem Pontifex fremd. Er fühlt sich nicht hinein weiß und fühlt nicht die Sorgen der aktuell lebenden Menschen, die ihren Alltag im jetzt gestalten und überleben müssen. Vergangene Kirchenlehrer und zu Staub gewordenen VIP’s – allen voran die Heiligen und Seeligen sind ihm wichtiger und vor allem aber auch zugänglicher als die Mesnchen von der Strasse im jetzt. Die Befähigung sich in die Gefühlswelt der Menschen hinein zu versetzen ist ihm verloren gegangen. Oder hat er diese nie gebraucht in seiner eigenen geistigen Welt auf Wolke Sieben oder im Wolkenkuckucksheim? @Pontifex ist keine gültige Adresse für moralische Autorität, sondern nur der misslungene Versuch eine rückständige Welt durch das Nadelör eines digitalen Mediums hindurch zu pressen, um damit längst verlorene Schäfchen einzufangen.
Quo vadis Pontifex?
Vielleicht aber wird der Nachfolger einmal anders gestrickt sein, und verstehen, dass nur ein Mensch aus dieser Welt diese auch positiv mit einer verständlichen Botschaft moralisch und theologisch erreichen kann. Die Vorraussetzungen können aber nie nur durch good will und Hightech ersetzt werden.
so long – gedankensindfreier für humanicum