16. Tag
Am Morgen schlenderten wir über den sehr gut besuchten Markt in der Fußgängerzone von Dieppe, auf dem es ein unglaublich breites Lebensmittelangebot gab. Dazu zählten auch französische Spezialitäten, wie Gänseleberpastete, unzählige Käsesorten, frische Austern oder ganze Schweinsköpfe und andere Fleischwaren, die für deutsche Besucher ungewöhnlich waren. Wir kauften aber nur einen großen Bio-Kürbis.
Danach fuhren wir ins 10 km entfernte Varengeville-sur-Mer, das seit den Zeiten von Claude Monet und Jean Cocteau im 20. Jahrhundert bei Künstlern sehr beliebt ist. Bereits 1530 ließ sich dort Jehan Ango, der berühmteste Reeder seiner Zeit, ein großes Anwesen mit Garten und einem imposanten Taubenturm bauen. Im alten Herrenhaus des „Manoir d’Ango“ erfährt man viel Interessantes über „die Kapitäne des Monsieur Ango“ und dessen eigene bewegte Karriere. Es gibt nämlich nicht nur die berühmten französischen Seefahrer und Entdecker, wie Samuel de Champlain, der im März 1603 in Honfleur mit drei Schiffen in Richtung Nordamerika in See stach, sondern auch einige vergessene.
Beim Mittagessen im Nachbarort Hautot-sur-Mer in der örtlichen Strandbar mit Blick aufs Meer probierte ich den „La Marmite Dieppoise“. Dieser cremige Meeresfrüchte-Eintopf mit Fisch, Gemüse, Kartoffeln, Curry und Safran ist in der Normandie sozusagen die regionale Variante der berühmten Bouillabaisse aus der Provence.
Zurück in Varengeville-sur-Mer besuchten wir dann am Nachmittag das große Anwesen „Le Bois des Moutiers“, das 1898 mit Haus, Garten und Park „very british“ angelegt wurde. Federführend war dabei der seinerzeit 29-jährige britische Architekt Sir Edwin Lutyens, der später für sein Design des Palastes des Vizekönigs im indischen Neu Dehli berühmt werden sollte. Unterstützt wurde er dabei von der englischen Gartendesignerin Gertrude Jekyll, der Mutter des englischen Landhausstils, die mit den Hestercombe Gardens in Südengland ihr Meisterstück ablieferte.
Das Gelände, das sich in einem Tal fast bis zum Meer erstreckt, zeichnet sich durch einen sauren Boden aus. Dieser ist für den Kalkstein des Pays de Caux ungewöhnlich und ermöglichte das Setzen seltener Pflanzen, wie Rhododendron aus dem Himalaya, Azaleen aus China, Ahorn aus Japan oder Scheinulmen aus Chile. Die Rhododendren erreichten dabei imposante Höhen von 10 m.
Am Abend stiegen wir in Dieppe noch zum Château oberhalb der Altstadt hinauf, das nach dem Hundertjährigen Krieg gebaut wurde und heute das Stadtmuseum beherbergt. Oben auf den Kreidefelsen finden sich natürlich auch die Reste von Bunkern und Geschützstellungen des Atlantikwalls, die im August 1942 bei einem englischen Landungsversuch zur Todesfalle wurden. Ohne vorherige Luftschläge war die deutsche Küstenverteidigung nahezu intakt gewesen, so dass von den 7.000 überwiegend kanadischen Soldaten über 5.000 getötet oder gefangen genommen wurden. Der Fehlschlag brachte den Allierten aber viele wichtige Erkenntnisse, die den D-Day fast zwei Jahre später zum Erfolg werden ließen.
Diese feudale Küche gehört zum „Manoir d’Ango“, das sich der reiche Reeder Jehan Ango 1530 in Varengeville-sur-Mer errichten ließ.