„Father Of The Bride“
(Smi Col/Sony)
Das sollte man wirklich mal versuchen – spaßeshalber. Denn um den Spaß geht es ja. Ganz so einfach wird es aber nicht werden, denn schließlich sind die instrumentalen Masterbänder nur schwer zu bekommen und eine Karaokeversion des Albums existiert wahrscheinlich noch nicht. Vielleicht ist das Ganze ja auch nur ein dumme Idee, aber stellen wir uns mal vor, wie es wäre, wenn man die Texte von Ezra Koenig nicht dabeihätte oder wenn diese zumindest in einer halbwegs unbekannten Sprache gesungen wären, also beispielsweise auf Kreolisch. Würde man die Musik von Vampire Weekend dann nicht als rundum seligmachende Kompositionen empfinden, wie gemacht dafür, den Einklang von Körper und Geist zu vollenden, das allerletzte Endorphin herauszukitzeln und das Glück perfekt zu machen? Wäre das nicht wunderbar? Ja, wäre es – und ein wenig langweilig wäre es auch. Denn genau darin liegt ja der Reiz dieser Songs begründet, dass sie nämlich bei allem beschwingten Wohlklang Koenigs hintersinnig kluge, nicht selten sarkastische Verse mit sich tragen und somit eben Körper und Geist zugleich auf eine oft widersprüchliche, aber sehr spannende Weise beanspruchen.
Denn auch wenn man es nicht glauben will, auf diesem neuen, vierten Album der New Yorker Indie-Rocker geht es auch um Polizeigewalt, Umweltzerstörung, um die Verrohung unserer Umgangsformen durch Digitalisierung, Anonymisierung und Vereinsamung. Es ist nicht nur Melancholie, die in Koenigs Texten ja immer mitschwingt, es steckt auch viel Wehmut und Ratlosigkeit darin und das will auf’s erste so gar nicht zu den luftig leichten Tönen passen. Allein der Satz „I don’t wanna live like this, but I don’t wanna die“ aus „Harmony Hall“, diesem bittersüßen Rückblick auf die eigene, privilegierte Unizeit, läßt den Zwiespalt ahnen, in dem sich Vampire Weekend zwischen Erwartung und eigenem Anspruch, zwischen drinnen und draußen bewegen. Denn wer klaren Gedankens ist, der kann bei allem, was die Welt, das eigene Land, die künftigen Generationen gerade umtreibt, nicht nur über Herz und Schmerz texten, der kommt nicht umhin, Haltung zu zeigen und Stellung zu beziehen.
Nur damit wir’s erwähnt haben: Spaß macht „Father Of The Bride“ natürlich trotzdem. Denn die Songs sind, auch nach dem Weggang von Rostam Batmanglij, immer noch blitzsaubere Dreiminuten-Killer mit der Linzenz zum melodischen Überschwang. Und Herzschmerz gibt’s (dennoch) reichlich: Wie schon der Vorgänger, so wurde auch diese Platte von Ariel Rechtshaid produziert und weil dieser vor einiger Zeit erfolgreich Danielle Haim gedatet hat, darf Ezra Koenig nun mit ihr drei hübsche Duette singen. Und im ersten tritt dann auch tatsächlich der Choir Of All Saints From Honiara auf und jubiliert auf – Kreolisch. Achtzehn Stücke zum Schwelgen und Tanzen, vollgepackt mit feinsten Gitarren, Percussions und Pianotakten, die einem das Herz öffnen, wieder mal. Und achtzehn Stücke, die uns nachdenklich stimmen, sinnieren lassen über das tägliche Tun, die uns die Träume vor Augen führen und auch das, was von ihnen übriggeblieben ist. Ganz am Ende singt Koenig von seiner jüdischen Identität und was er zu sagen hat, könnte nicht trauriger sein: „Our tongues will fall so still, our teeth will all decay, a minute feels much longer without nothing left to say. So let them win the battle, but don’t let them restart, that genocidal feeling, that beats in every heart“. Eine Bitte, die an uns alle geht. https://www.vampireweekend.com/