Quelle:
Kay Noa
Autor:
Kay Noa
Genre:
Fantasy, Romance
Als der Wecker läutete, fuhr Lexa schlaftrunken aus dunklen, sehr seltsamen Träumen hoch, in denen Wölfe und Panther eine ziemlich blutrünstige Rolle spielten. Stöhnend wälzte sie sich herum und tastete nach der Lärmquelle. Grizzly, der im Weg gelegen war, maunzte und zog sich auf die Kommode zurück, von wo aus er Lexa ärgerlich beobachtete.
„Ich hab doch nichts getrunken“, beklagte Lexa die Ungerechtigkeit dieser Welt und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
Sie hatte noch nie Migräne gehabt, aber nach allem was sie davon gehört hatte, könnte es sich genau so anfühlen.
Mit wackligen Knien tapste Lexa zum Fenster und zog den Vorhang zu. Im Dunklen war es gleich besser. Das sprach eindeutig für Migräne. Auch die tränenden Augen.
Grizzly hopste von der Kommode auf ihr Bett und von der Erschütterung hätte Lexa sich fast übergeben. Der Wecker begann wieder zu lärmen. Sie hatte die Schlummertaste erwischt. „Oh nein!“
An ihrem Kater vorbei packte sie den Wecker und drückte diesmal die richtige Taste. Dabei fiel ihr Blick auf die LED-Anzeige. „Samstag?“
Lexa stöhnte. Das war ja so was von klar! Sie hatte wie üblich vergessen, den Wecker auszuschalten.
„Was schaust du denn so“, fragte sie Grizzly, der sie von der Bettkante aus unverwandt anstarrte. Nachdenklich und vielleicht etwas besorgt. Sehr intensiv jedenfalls, so wie das eben nur eine Katze kann. „Das bist du doch gewohnt. Du weißt, dass du das chaotischste aller Frauchen hast. Und Frühstück muss noch warten.“
Sie piekte den Kater neckisch in die Rippen. „Du hast ja Reserven, von denen du zehren kannst.“
Lexa legte sich auf den Rücken und versuchte sich zu entspannen. Mit geschlossenen Augen atmete sie ruhig ein und aus, ein und aus… Ihr Kiefer schmerzte fast so sehr wie ihr Kopf. Die Luft im Zimmer war abgestanden, roch nach ihrem Parfum und ein bisschen nach Katze. Irgendwo knackte es in einem Rohr. Ein altes Haus hat viel zu erzählen.
Nach einer Weile stand Lexa auf und gab in der Küche etwas Trockenfutter in den Katzennapf. Grizzly schnaubte entrüstet. Aber Lexa wurde allein beim Gedanken an das süßliche Dosenfutter schlecht. „Geh davon aus, dass auch wieder bessere Zeiten kommen.“
Aus dem Bad holte sie sich ein paar von Mayas besseren Pillen und setzte sich dann mit einer großen Tasse Tee in die Küche, die morgens immer recht dunkel war. Lustlos kaute sie an einem Stück Brot.
Die Wanduhr tickte. Draußen im Hof schepperte jemand mit den Mülltonnen. Luigi in seiner Werkstätte pfiff ziemlich schräg einen italienischen Schlager, den Lexa nicht erkannte. Ihr war noch nie aufgefallen, dass das Fenster zum Hof so hellhörig war.
Allmählich wirkte das Schmerzmittel und Lexa befand, dass sie sich nun dem Tag stellen konnte.
Im Bad bereute sie, den Blick in den Spiegel riskiert zu haben. Ihre Augen waren entzündet und rot. Eine Träne kullerte über ihre Wange.
„Na, das sorgt immerhin wenigstens für etwas Farbe“, murmelte Lexa und spritzte sich erst mal Wasser ins Gesicht. „So kalkig wie ich sonst bin, muss ich auch für kleine Gesten dankbar sein.“
Auch die Augenringe machten ihr Sorgen. Damit hatte sie sonst nie Probleme, selbst nach wild durchzechten Nächten nicht. Der Knutschfleck an ihrem Hals schimmerte farbenprächtig in allen Schattierungen, aber nicht mehr so dunkel wie am Tag zuvor. Auch der Schorf war wundersamerweise verschwunden. Beim Zähneputzen bemerkte sie, wie wund ihr Kiefer war.
„Meine Weisheitszähne sind doch schon draußen“, beschwerte sie sich und legte dann etwas Make-up auf. Da ihre Kopfschmerzen nicht wirklich verschwunden waren, könnte sie Mick in der Klinik besuchen. Normal war das nicht und da sie keinerlei Erfahrung mit K.O.-Tropfen hatte, wollte sie kein Risiko eingehen. Während Mick – ganz anders als Maya – sonst immer sehr zurückhaltend war, wenn sie ihn nach alkoholischen oder sonstigen Exzessen um Hilfe bat, stand er hier ausnahmsweise einmal auf ihrer Seite.
Sie hörte den Postboten im Treppenhaus klappern und Grizzly zu seiner morgendlichen Tour durch den Friedhof aufbrechen. Gerade wollte sie ins Schlafzimmer zurück, um sich einen Schal zu holen. Dieser grässliche Fleck an ihrem Hals nervte sie gewaltig und sie hatte überhaupt keine Lust auf die dummen Kommentare in der Klinik.
Dabei fiel ihr Blick auf den Fußboden im Flur. Ein dunkles Päckchen, das direkt vor der Haustür lag. Offenbar hatte es jemand durch den Briefschlitz geschoben. Sie wunderte sich, dass sie den Boten nicht an der Tür gehört hatte. Neugierig trat sie näher. Das Päckchen war unfrankiert, also war es nicht vom Postboten gebracht worden. Das erklärte, dass sie nichts gehört hatte. Lexa bückte sich, nahm das in Stoff gewickelte Päckchen auf und trug es in die Küche. Es war weder ihre Adresse darauf, noch ein Absender. Sehr seltsam.
Sie zerschnitt die schlichte Packschnur und schlug den Stoff zurück. Ein Buch mit schwarzem Einband. Ein schönes Buch, altmodisch. So, wie man sich als Kind ein Buch vorstellt. Aber keine Karte, kein Zettel, nichts, das auf den Absender schließen ließe. Notgedrungen besah sich Lexa das Buch genauer. Den schlichten Lederumschlag zierte ein schmales Etikett, nicht anders als bei einem Schulbuch:
„Vampire Beginners Guide“.
„Wer schenkt mir den so etwas?“ Lexa runzelte die Stirn. „Ich mag keine Vampirgeschichten. Schau ich so aus, als würde ich solche Schmonzetten lesen?“
Trotzdem schlug sie das Buch auf. Vielleicht war darin ja eine Widmung. Ihre Oma hatte das immer gemacht und in die geschenkten Bücher reingeschrieben, warum sie ausgerechnet dieses Buch ihrer Enkelin anvertraute. Ein guter Brauch, der in diesem speziellen Fall auch dringend nötig war. Ohne Unterstützung hätten Lexa und ihre Eltern nie verstanden, wie man einer 12-jährigen Kants Kritik an der reinen Vernunft und einem 16-jährigen frontalpubertierenden Teenie dann Heidi von Johanna Spyri schenken kann.
Doch dieser seltsame Schenker jedenfalls wollte anonym bleiben und erklärte auch nicht, warum Lexa eine englischsprachige Einführung in den Vampirismus interessieren könnte.
Da die inzwischen in die Küche hereintastende Sonne ihre Kopfschmerzen wieder aufschreckte, verschob Lexa diese Fragen auf später. Sie war ohnehin wie üblich spät dran und so musste dieses zugegebenermaßen spannende Rätsel eben warten.
Info:
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—-> Vampire Beginners Guide