Ein besonderer Rhythmus, auf den man sich einlassen muss!
"Ein Paar mit zwei Kindern in einem Haus in Mexico City. Sie schreibt an einem Roman, er liest mit. Sie erzählt von der Zeit, als sie als Lektorin in New York gearbeitet hat, von den Fremden, die ihre Liebhaber wurden, von den Dichtern und Gespenstern, die einst in ihrer Nachbarschaft wohnten, und dem vergeblichen Versuch, ihren Verleger von dem Werk des Mexikanischen Dichters Gilberto Owen zu überzeugen. Dabei gerät ihr Leben immer mehr aus der Bahn, und in ihren Roman wächst eine andere Erzählstimme..."
Von Dichtern und Geistern
Als Leser mag man zu Beginn etwas irritiert sein. Denn in kurzen Absätze, durch ein * getrennt, wechseln sich verschiedene Zeit- und Daseinsebenen miteinander ab. Die Gegenwart, in der die Ich-Erzählerin mit zwei kleinen Kindern zu Hause sitzt und versucht ein Buch zu schreiben, wechselt sich mit ihrer Vergangenheit als Lektorin in New York ab. Das ist zunächst etwas anstrengend zu lesen, denn man weiß am Anfang des Absatzes nicht sofort auf welcher der zwei Ebenen man sich befindet. Ihr müsst euch definitiv mit der Geschichte erst vertraut machen und euch darauf einlassen, um so richtig in das Lesevergnügen hineinzukommen.Dann kommt eine dritte Perspektive, die von Gilberto Owen, hinzu. Gilberto Owen war tatsächlich ein mexikanischer Dichter und Diplomat, der von 1904 bis 1952 gelebt hat. Seine späten Jahre hat er in Philadelphia verbracht, in jüngeren Jahren hielt er sich in Harlem auf, wo er auf berühmte Künstler wie Nella Larsen und Federico Garcia Lorca trifft. Auch Ezra Pound erscheint ihm immer wieder als Gespennst, vor allem in der U-Bahn :) Wer sich also für literarische Persönlichkeiten in Romanen interessiert, kommt hier auf seine Kosten.
Warum die Schwerelosen?
Die Ich-Erzählerin hat das Gefühl von Gilbertos Geist umgeben zu sein. Gegenüber ihrem Mann erklärt sie, ein Buch über das Gespenst Gilbert Owen zu schreiben. Im späteren Verlauf verlagert sich die Perspektive immer mehr auf Gilberto, der sich an die Zukunft erinnern kann und den Geist der Ich-Erzählerin sieht. Plötzlich schein es, als wäre er es, der an einem Roman schreibt:
"Die Erzählerin des Romanes hätte einen Partner, der hier in Philadelphia gelebt hatte. Sie würde obsessiv über das imaginäre Leben dieses Partners schreiben, bis sie darüber verrückt wird und auch ihn verrückt macht."
Ich denke, der Titel "Die Schwerelosen" kommt daher, dass alles beginnt, sich aufzulösen: Gilberto wird unsichtbar, er löst sich auch und auch die Ich-Erzählerin scheint sich vollkommen in Gilberto aufgelöst zu haben. Die Figuren werden zu leicht-schwebenden Geistern, ohne Raum und Zeit.
Wer sich darauf einlässt, kann eine ganz neue Leseerfahrung machen, die einem einiges über die Kunst des Romane schreibens aufzeigt.Also was ist? Traut sich jemand an das Debüt dieser mexikanischen Autorin ran?
Liebe Grüße
Madeleine
Infos zum Buch:
Valeria Luiselli: Die Schwerelosen
190 Seiten
erschienen im März 2013 im Verlag Antje Kunstmann
Übersetzt von Dagmar Ploetz
ISBN 978-3-88897-819-7