<< Zum ersten Teil des Berichts »Valencia: Polizeigewalt gegen Minderjährige« (15.-20.02.2012)
Leider ist schon wieder ein Update für den Bericht über die Schülerproteste in Valencia fällig. Der gestrige Montag endete mit 26 Festnahmen, einer Pressekonferenz des Polizeichefs von Valencia und der Delegierten der Zentralregierung in der Provinz Valenica und Protesten, die die ganze Nacht hindurch andauerten. Es gab mehrere Verletzte, darunter ein 15-jähriges Mädchen mit Schädelfraktur.
Während der Pressekonferenz zu den Vorfällen leugnete die Delegierte der Zentralregierung, Paula Sánchez de León, dass es Gewalt und Repressalien von Seiten der Polizei gegeben habe. Gleichzeitig rechtfertigte der Polizeichef von Valencia, Antonio Moreno, die Vorgehensweise der Polizei und sagte, die Beamten seien »kontinuierlicher Provokation und Beleidigung« durch die Demonstratenten ausgesetzt gewesen. Er ging sogar so weit, die Demonstranten, die in ihrer Mehrheit immer noch Schüler und Studenten sind, als »Feinde« zu bezeichnen:
»Die Polizei war in der Verpflichtung, eine Aggression abzuwehren.«
Auf die Frage, wie viele Polizeikräfte sich im Einsatz befanden antwortete er: »Es wäre unvernünftig, dem Feind meine Kräfte offen zu legen.«
Quelle: El Mundo, 20.02.2012
»Er hat ein Buch! Er hat ein Buch!«
Am Abend versammelten sich erneut Schüler gemeinsam mit ihren Lehrern und Eltern im Instituto Lluís Vives, es war geplant, die Schule über Nacht besetzt zu halten. Es kam allerdings zum Polizeieinsatz im Inneren des Schulgebäudes, woraufhin die Direktorin die Aktion absagte. Die ganze Nacht hindurch zogen Polizeitrupps in voller Kampfmontur durch die Stadt und erstickten die überall aufflammenden Proteste. Gegelentlich ist es zum Einsatz von Gummigeschossen gekommen.
Nach einer Protestkundgebung vor der Delegation der Zentralregierung, deren Vorsitzende Paula Sánchez de León die politische Verantwortung für den Polizeieinsatz trägt, zogen Hunderte von Studenten, Lehrer und Professoren auf den Campus der Universität, wo sie die Fakultät für Geschichte besetzten und dort eine Asamblea mit etwa 400 Teilnehmern abhielten, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Die Studenten erklärten sich solidarisch mit den Schülern, ähnliches geschah auch in Madrid und Barcelona. Es ist also zu erwarten, dass es in den nächsten Tagen zu Studentenprotesten in mehreren spanischen Städten kommen wird. Es hat sich bereits der Twitter-Hashtag #primaveravalenciana (Valencianischer Frühling) etabliert.
Die Dekanin der Universität von Valencia verweigerte in der Nacht Polizisten, den Zugang zu dem Gebäude und berief sich auf die rechtliche Autonomität der Universität. Damit verhinderte sie die Räumung der Studenten. Das Universitätsgebäude war die ganze Nacht über von Polizisten umstellt. Es wurde entschieden, die Proteste gegen das Vorgehen der Polizei so lange fortzusetzen, bis die Delegierte der Zentralregierung zurücktritt.
Asamblea der Studenten im besetzten Universitätsgebäude, 20./21.02.2012
Für den heutigen Dienstag sind folgende Aktionen geplant:
*13.30 Uhr: Treffpunkt auf der Plaza del Ayuntamiento (Rathausplatz)
*14.45 Uhr: Marsch vom Universitätscampus (Fakultät für Geschichte) bis zum Instituto Lluís Vives
*15.30 Uhr: Unterstützung für die Schüler bei der Fortsetzung ihrer Proteste am Instituto Lluís Vives (#IESLuisVives)
*20.00 Uhr: Demonstration am Sitz des Partido Popular (PP, Volkspartei) für den Rücktritt der Delegierten der Zentralregierung Paula Sánchez de León
Außerdem haben sich aus dem Umland Valencias zahlreiche Schüler zur Unterstützung der Proteste angekündigt. Diese werden allerdings erst später eintreffen, da die Schule erst um 15.30 aus ist…
In der spanischen Medienlandschaft erregen die Ereignisse von Valencia durchaus Aufsehen und Entsetzen, während sich auch am fünften Tag der Proteste in den deutschen Medien nicht ein Wort daüber findet. Die größte spanische Tageszeitung El País wundert sich über das brutale Vorgehen der Polizei, die weder bei den Demonstrationen und Acampadas der Bewegung 15-M im vergangenen Jahr noch bei den lang anhaltenden Bürgerprotesten gegen den Abriss des Stadtviertels El Cabanyal derart hart reagierte. El Páis erkennt an, dass bei den Schülerprotesten in Valencia bisher nicht eine Schaufensterscheibe eingeschlagen und nicht eine Straßenlaterne umgetreten wurde und setzt dies ins Verhältnis zu den 43 Festnahmen und zahlreichen Verletzten der letzten vier Tage.
Ein Bericht in englischer Sprache mit vielen Bildern und Videos findet sich auf RoarMag.org.
Bericht in den Abendnachrichten des katalanischen Fernsehens TV3 vom 21.02.2012
Um einen spanischen Blogeintrag zu zitieren:
<< Zum ersten Teil des Berichts »Valencia: Polizeigewalt gegen Minderjährige« (15.-20.02.2012)Letztendlich werden es weder der 15-M, noch die Zwangsräumungen oder die Arbeitsmarktreform sein, die dafür sorgen, dass Spanien endlich aufsteht: Es werden die Schüler eines valencianischen Gymnasiums sein, die auf die Straße gingen, weil ihnen in den Klassenräume zu kalt war. Wir werden alle aufstehen weil wir sehen, wie sie unsere Kinder schlagen, misshandeln und als Terroristen festnehmen, einfach nur, weil sie verlangt haben, dass ihre Schule geheizt wird.
Die Passivität macht Dich zu einem Komplizen dieser Taten.
Pensamientos Alternados, Valencia: Cuando la mentira es evidente