Vajra-Gelächter

Von Rangdroldorje

Der Bodhisattva Vidyavajra bemerkte: „Oh Lehrer, Bhagavan, seit Lebzeiten von anfangsloser Zeit an bis in die Gegenwart halten die blinden fühlenden Wesen der drei Bereiche aufgrund der Ursache von Unwissenheit und dem mitwirkenden Umstand des dualistischen Greifens beständig und unaufhörlich an den trügerischen Zyklen der endlosen Aufenthaltsorte von Samsara fest. Unter dem Einfluss der verdichteten Verunreinigungen der Gewohnheitstendenzen in der Schale des Nichtgewahrseins sind sie von großen Lasten des Leidens niedergedrückt. Aber durch die Kraft der Weisheit und der uranfänglichen Weisheit wird die Schale der gewohnheitsmäßigen Neigungen geöffnet.
Vor dem Erwachen aus dem Schlummer des Nichtgewahrseins verdinglicht man das trügerische Gefühl des Erfahrens von Elend im Daseinskreislauf und den elenden Daseinszuständen, welche faktisch nicht erlebt wurden. Bedenkt man die Art, wie jemand an Erlebnissen festhält, so ist das lächerlich! Warum? Obwohl die Grundlagen der Benennungen nicht festgestellt werden können, werden der ungegenständlichen Leerheit verschiedene Namen gegeben und auf diese Weise täuscht man sich selbst. Ha ha!
Alle Erscheinungen sind wie eine Fata Morgana, die man für Wasser hält und wie ein illusorisches Fest, das man für dauerhaft auffasst und daran festhält, als ob es der eigene Besitz wäre. Frühere Erscheinungen lösen sich auf und nachfolgende entstehen ohne dauerhafte Präsenz, aber indem man das nicht bemerkt, ist man verwirrt! Ha ha!
Das Problem nicht zu erkennen, dass Erscheinungen entstehne und sich ohne Stabilität verwandeln, lässt einen stolz sein auf die angesammelten Reichtümer als ob sie ewiger Reichtum für einen wären. Ha ha!
Sobald jemand Samsara und Nirvana als die offene, ungegenständliche Natur der großen Leerheit erkennt, werden alle Buddhas und Buddha-Felder, die als Objekte im belebten und unbelebten Universum gehalten werden, in den Abgrund fallen. Ha ha!
Sobald jemand sieht, dass alle belebten und unbelebten Welten mit ihren Sinnesobjekten völlig ohne Grund und Wurzel wie in einem Traum und in einer Illusion sind und wenn man dann erkennt, dass sie anscheinend existieren, obwohl sie es nicht tun und dass sie gleichzeitig in einem einzigen Augenblick wie ein Blitz erscheinen und vergehen, dann wird der Daseinskreislauf vom Wind verblasen. Ha ha!
Indem man die Tatsache nicht erkennt, dass die eigene Natur seit anfangslosen Lebzeiten sich niemals auch nur für einen Moment aus dem ursprünglich reinen Dharmadhatu entfernt hat, so scheint es, dass man kommt und geht und sich im Daseinskreislauf umherbewegt. Ha ha!
Erkennt man die Tatsache nicht, dass sich einem seit anfangslosen Lebzeiten die eigenen Erscheinungen zeigen und abgesehen davon, dass es nicht ein Deut irgendwelcher anderer Sinnesobjekte gegeben hat, nimmt man die erlebten Erscheinungen für etwas woran man festhält als ob es etwas anderes wäre. Somit ist man beständig von Hoffnungen und Befürchtungen getäuscht. Ha ha!
Sobald jemand auf sein eigenens Antlitz als den großen, ursprünglichen, uranfänglichen Grund trifft, erwacht er zur ungehinderten Ungegenständlichkeit aller Fehler und gewohnheitsmäßigen Neigungen. Ha ha!
Wenn jemand die absolute Natur des Grundes erkennt, frei von begrifflicher Ausschmückung, dann lösen sich Hilfe und Anfeindung, die von Göttern und Dämonen sowie Freunden und Feinden spurlos auf. Ha ha!
Sobald die Finsternis der Unkenntnis der absoluten Natur des Grundes der Erkenntnis weicht, erkennt man, dass spirituelles Erwachen nicht durch gutes Meditieren erlangt wird, noch dass jemand im Daseinskreislauf aufgrund der Schwäche des Nichtmeditierens umherwandert. Ha ha!
Sobald der Grund-Dharmakaya, der allgegenwärtige Herrscher Samantabhadra offenkundig wird, erlangt man mühelos das Königreich des Dharmakaya. Ha ha!
Wenn man Meisterschaft über die ursprüngliche Weisheit des Gewahrseins frei von Extremen erlangt, ohne dass es nötig wäre, alle fühlenden Wesen der drei Bereiche zu berücksichtigen oder auf sie zu schauen und ohne die Notwendigkeit, sich angestrengt zu bemühen, erwacht man gleichzeitig zur Dharmata, der absoluten Natur, die die Kausalität übersteigt. Ha ha!
Sobald man Meisterschaft über das ursprüngliche Weisheitsgewahrsein frei von Extremen erlangt, ist jedes einzelne der unzähligen Mandalas der Siegreichen als von einem Geschmack ohne Angleichung oder Abweichung vollendet und verwirklicht. Ha ha!
Wenn der reine, gleichwertige Ausdruck von Samsara und Nirvana und dem Dharmakaya, das Gewahrsein, das als der Grund vorhanden ist, wahrgenommen wird, dann erwacht man vollkommen in einem Augenblick ohne sich auf die Stufen von Grund und Pfad stützen zu müssen. Ha ha!
Durch das Hören des Klanges der Worte dieses großen Vajra-Gelächters wird man die wahre, absolute Natur ergründen und diese weitreichenden und tiefgründigen Punkte realisieren.

Aus dem Nelug Rangjung – Vajra-Herz-Tantra – (dag snang ye shes drwa pa las gnas lugs rang byung gi rgyud rdo rje’i snying po) des Dudjom Lingpa; übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2018). Möge es von Nutzen sein!