V-Rally 4 im Test – Clone that Dirt

Beschäftigt man sich mal ein bisschen mit Rally-Spielen, dann stolpert man natürlich unweigerlich über die Dirt-Reihe, die früher mal als Colin McRae Rally bekannt war. Eine andere Rally-Reihe ist natürlich WRC, seit einigen Jahren von Kylotonn Games entwickelt. Ähnlich alt wie Colin MacRae Rally ist dagegen die V-Rally-Reihe, die um die Jahrtausendwende auf allen Systemen zuhause war und es sogar auf einen gelungenen Game Boy Advance Ableger brachte, die vergangenen 15 Jahren allerdings im Dornröschenschlaf verbrachte. Ausgerechnet Kylotonn schicken sich nun an, die altehrwürdige V-Rally-Reihe nun wiederzubeleben. Ob das gut geht?

Mehr als nur Rally

V-Rally 4 im Test – Clone that DirtBisher sind Kylotonn nicht unbedingt als die Entwickler der besten WRC-Spiele bekannt. Sowohl die Evolution Studios Teile aus den Zweitausendern als auch die Milestone-WRC-Teile haben einen deutlich besseren Ruf als das, was Kylotonn und BigBen Interactive bisher vorweisen konnten. Das soll nun ausgerechnet mit dem halb vergessenen Namen V-Rally alles anders und vor allem besser werden. In der Praxis bedeutet das erstmal, es gibt mehr als nur Rally. Nach der ersten Probefahrt im Rally-Polo dürfen wir uns erstmal eine alte, günstige Karre holen, wobei auch Hillclimb, Rally Cross, Extremekhana und Offroad Buggy zur Wahl stehen. Das erinnert ein wenig an Dirt und auch die Tatsache, dass wir ein Team an Ingenieuren und Mechanikern zusammenstellen dürfen, sowie Agenten anheuern, erinnert nicht zu knapp an Dirt 4. Leider ist der Karrieremodus auch direkt der größte Schwachpunkt des Spiels.

V-Rally 4 im Test – Clone that DirtNachdem der Tutorial Part abgehakt ist, in dem unsere Anfangsagentin mit ein paar Erklärungen zur Seite steht, werden ziemlich wahllos einzelne Rennen oder (sehr kurze) Meisterschaften auf uns losgelassen. Dabei kann es sehr schnell passieren, dass Rennen der Stufe Drei zur Wahl stehen, obwohl man nur ein Fahrzeug der ersten Stufe besitzt. Ebenso kann es aber passieren, dass als einziges Rally Cross Event vier Mal in Folge England zur Wahl steht. Kurzum, die Karriere wirkt leider ziemlich halbgar. Besonders ärgerlich ist das unter anderem auch, weil die eigenen Crewmitglieder uns bares Geld kosten. Am Ende einer Woche mit falschen weil zu hochstufigen Events kann man so auch mal Verluste machen. Passiert das zufällig mehrfach hintereinander, fehlt ganz schnell Kohle für Upgrades oder bessere Autos. Auch kurios, Ingenieure und Mechaniker können nicht in jeder Fahrzeugkategorie Hand anlegen, will man umfassend reparieren und verbessern, braucht es also ein passendes Team in der jeweiligen Kategorie. Eher gängig geht es im Mehrspieler zu, mit einem waschechten Splitscreen-Modus bietet V-Rally 4 hier aber eine echte Seltenheit in heutigen Zeiten, die den Titel für manche eine ganze Ecke interessanter machen könnte.

Hinter dem Lenkrad

V-Rally 4 im Test – Clone that DirtDabei macht V-Rally 4 einiges richtig, leider, das direkt mal vorweg genommen, nicht alles. Die meiste Zeit macht das Fahren durchaus Spaß und auch die einzelnen Kategorien sind mehrheitlich gut umgesetzt. Jeder Renntyp bietet vier Rennorte, die sich wiederum auf mehrere Etappen oder Streckenlayouts verteilen. In Einzelfällen wie dem Monument Valley gibt es direkt mehrere Renntypen in einer Umgebung, anderswo werden grundlegend unterschiedliche Strecken oder Länder befahren. Die Pisten setzen dabei meist mehr auf Eyecandy als auf absoluten Realismus, was beim China Hillclimb beispielsweise bedeutet, dass man durchgehend an der Flussschlucht vorbei über Brücken und Serpentinen pest oder bei der Japanrally endlose bunt blühende Felder zu Gesicht bekommt. Kritischer ist da schon das Handling. Keine Kategorie fühlt sich so wirklich realistisch an, gerade Rallyfahrzeuge sind mehrheitlich 'zu leicht', zu hektisch und nervös unterwegs, der Unterschied zwischen Mittelmotor mit Heckantrieb und Fronttriebler oft bestenfalls marginal. Einzelne Fahrzeuge können dabei klar in Richtung kaum kontrollierbar tendieren während andere absolut gutmütig sind. Alles in allem funktioniert das Handling aber.

V-Rally 4 im Test – Clone that DirtAuch Dinge wie nach einem Sprung durch Bremsen und damit plötzlich abstoppende Reifen wieder auf die Erde zu kommen, funktionieren sauber. Obendrein ist der Fuhrpark ausreichend umfang- und abwechslungsreich. Vom Rallyklassiker Escort RS1600 reicht es z. B. bis zu aktuellen Rallyboliden, vom Baja Bug bis zu Trohpy Truck und vom alten Alpine bis zum modernen Rally Cross PS-Monster. Und man kann durchaus Einfluss auf die Kontrollen nehmen. Auch die Gegner-KI ist in Prozentschritten regelbar. Gerade Buggy-Rennen machen dank schicker Hintergründe, imposanter Sprünge und verwundenen Strecken wirklich Spaß. Die Rally Cross Pisten kommen im Vergleich eher unspektakulär und deutlich braver daher, hier sind die realen Vorbilder, wie man sie unter anderem bei Dirt 4 und Project CARS 2 findet, tatsächlich eindrucksvoller, sowohl optisch als auch fahrerisch. Die Extremekhana Strecken schließlich wirken oft ungemein arcadig, hier gibt es z. B. auch einen Sprung auf und anschließende Fahrt über eine Flugzeugtragfläche. Wie schon erwähnt, das Problem, das sich durch alle Kategorien mal mehr, mal weniger zieht, ist das zum Teil recht seltsam und bei manchen Autos schlecht kontrollierbare Fahrverhalten, denn in vielen anderen Punkten macht V-Rally 4 hier sehr vieles richtig. Ach ja, eine Rückspulfunktion gibt es übrigens nicht.

Zähfließender Verkehr

Wir hatten doch weiter oben unsere Tutorial Agentin erwähnt, oder? Die klingt irgendwie nur semiprofessionell. Andere Rennspiele haben da irgendwie bessere Sprecher. Und auch sonst ist das Sounddesign nicht so gut wie bei der Konkurrenz. Beim Rally Beifahrer hat man es auf der deutschen Tonspur mit dem Funkverkehr-Effekt vielleicht etwas übertrieben, der englische ist jedenfalls oft besser verstehbar, gerade bei komplexeren Ansagen. Vor allem V-Rally 4 im Test – Clone that Dirtaber sind Motorsounds und Umgebungsgeräusche nicht auf dem gleichen Level, wie es gerade bei Dirt 4 der Fall ist. Letzteres gibt z. B. deutlich mehr akustisches Feedback, über welchen Untergrund wir fahren und auch wie wir darüber fahren. Nicht dass V-Rally 4 hier wirklich schlecht wäre, anderswo geht es aber trotzdem besser. Richtig nervig ist die Musik im Karrieremodus, erst Recht nach einigen Spielstunden. Denn der eine und einzige Track, den es hier auf die Ohren gibt, ist nicht für Dauerschleife geeignet.

Auch die Optik ist leider nicht ganz fehlerfrei. Auf den ersten Blick sieht das Spiel je nach Strecke und Wetter ganz ordentlich aus, wobei gerade starker Regen und richtig nasse Strecken generell seltsam aussehen. Auf den zweiten Blick fallen eher detailarme und irgendwie nach Spielzeug aussehende Autos, so manche seltsam matschige Effekte und vor allem die 30fps Bildrate auf. Letztere geht obendrein immer wieder mal in die Knie. Positiv zu erwähnen, ist hier allerdings der Splitscreen, denn mit geteiltem Bildschirm wird es kaum schlechter, wenn überhaupt. Kann man über die Mängel hinweg sehen, dann sind die meisten Rennorte vielleicht nicht unbedingt realistisch, aber doch ganz schön in Szene gesetzt.

Bitte nachreifen

Schade, aber irgendwie wirkt V-Rally 4 aktuell wie ein Bananenprodukt, es könnte beim Kunden reifen, wenn denn da Patches kommen. So müsste die Bildrate mindestens auf konstante 30fps kommen. Mit Blick auf andere Spiele wären 60 Bilder pro Sekunde aber besser. Und vor allem wird bei der aktuellen Optik nicht so ganz klar, warum der Titel die nicht auf den Schirm bringen kann. Auch ist schwer vorstellbar, dass die Switch-Version ohne sehr deutliche Downgrades auskommen wird. Und so schick sieht V-Rally 4 noch nicht mal aus. Auch das Handlingmodell könnte noch die eine oder andere Verbesserung brauchen, allerdings ganz klar abhängig vom jeweiligen Auto. Schließlich und endlich wäre da der Karrieremodus. Der ist aktuell leider nur halbgar, wenn überhaupt und stellt unterm Strich eine echte Spaßbremse dar. Dabei wäre reichlich Potenzial vorhanden.

Fazit

Warum sollte man V-Rally 4 überhaupt kaufen? Weil es endlich wieder Hillclimb gibt, auch wenn das hier Bergrennen heißt. Weil die Offroad Rennen Spaß machen. Oder auch einfach weil man Dirt 4 komplett durch hat. Kann man sich mit den vorhandenen Macken arrangieren, kann V-Rally 4 auch durchaus Rennspaß bieten, die meisten Spieler sind mit Dirt 4 aber schlicht und ergreifend deutlich besser bedient. Bleibt zu hoffen, dass Kylotonn das vorhandene Potenzial bei einem nächsten Teil besser ausschöpfen können.


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