Wolfgang Krisai: Blick vom Biergarten am Dach des Yenidze in Dresden, Tuchestift, Buntstift; 2015.
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Mühsam zu lesen
Das Buch hält aber leider nicht, was es auf den ersten Blick verspricht. Tellkamps Text ist – ganz im Gegensatz zu seinem wunderbar geschriebenen Roman „Der Turm“ – unsäglich mühsam zu lesen, und die Fotos sehen zwar gut aus, mehr als fast beliebige Impressionen aus Dresden sind sie aber auch nicht.
Was ist nun das Ärgerliche an Tellkamps Stil?
Er reiht und reiht und reiht Satzfetzen, fast wie Notizen und Stichwörter, aneinander, streut gelegentlich ein paar vollständige Sätze ein, und bald geht es wieder weiter in diesem Notizbuchstil. Oder es kommen gewaltige Satzmonster daher, ohne Rhythmus und Schwung, holprig, mit sperrigen Begriffen und nur Dresdnern geläufigen Bezeichnungen.
Ein beliebig herausgegriffenes Beispiel:
„Die Ostdeutschen hatten Hunger, kaum zu beängstigenden Freßgelagehunger nach Leben, nach Reisen. Sie wollten alles sehen, alles begreifen, alles nachholen, was sie versäumt hatten, alle Träume, und sofort, die in Hermann Haacks geographischen Atlanten eingesperrt gewesen waren. Ich hatte meinen Winkel auf dem Dachboden mit Landkarten tapeziert, dort hockte ich und reiste die schönsten Reisen der Welt, vor mir ein Lederkoffer, aus seinem Exil hinter den Tontöpfen gefischt, über und über bedeckt mit Hotelaufklebern in den musikalischen Farben der Belle Époque: Karl-May-Grün, das Ocker von Kairo, Wüstenblau, Weiß wie die Mauern der Souks, Indisch und Nanking-Gelb, Pompejanisch Rot, Amazonasfalter-Violett … Auf der Prager Straße lud ein Kran Container ab, Vorposten der Deutschen, Dresdner, Commerzbank. Begegnungen. Anna. Wir tanzen wie die Steptänzer, Fred Astaire ist gut, sehr gut sogar, dieser Kerl mit dem Heuschreckenleib und dem allzu bescheidenen Grinsen. Faunpalast, Parklichtspiele, Schauburg, der Fabelname eines längst geschlossenen Nickelodeons: Alabastra, Filmbühne Wölfnitz, die während einer Vorstellung abbrannte, die U. T.-Lichtspiele in der Waisenhausstraße, Dedrophon-Theater und Institut Kosmographia, Hansa-Lichtspiele … die Namen, die farbigen Traumschneisen, die die tschechischen und Ernemann-Projektoren ins erwartungsvolle Kinodunkel schlugen; Schwarzweißfilme im Hauptbahnhofkino, wo es orangefarbene Tapete gibt und eine Bommelmütze ein Heizungsleck abdichtet.“ (S. 97f)
Worum geht es inhaltlich?
Uwe Tellkamp präsentiert uns seine kunterbunt durcheinandergewürfelten Erinnerungen an das Dresden vor und kurz nach der Wende, die unverständlicher Weise „Erkundungen“ genannt werden. Er setzt dabei gewissermaßen voraus, dass wir seine engen Verwandten sind und daher ohnehin wissen, wie das so war, und uns daher mit ein paar andeutenden Stichwörtern zufriedener geben, als wenn er ausführlich schildern würde. Es tauchen alte Verwandte, Freunde, Lehrer, aber auch die Klavierlehrerin auf, daneben Dresdner Originale wie jene russische Matrone, die im Winter vor dem Heizhaus der russischen Kaserne stand. Die Mängelwirtschaft der letzten Jahre der DDR wird angedeutet, doch wirklich politisch wird das Buch zum Glück nie.
Durch die Andeutungstechnik ist es für den nun doch nicht mit Tellkamp verwandten Leser sehr schwer, in dem Wust den Durchblick zu behalten. Ich habe ihn jedenfalls verloren, weshalb mir weder das Figurenarsenal noch die Schauplätze, die ich von unserer kurzen Dresden-Reise zumindest oberflächlich kenne, lebendig geworden sind.
Tellkamp zuliebe und wegen der schönen Gestaltung des Buches – und aus Prinzip – biss ich mich bis zum Ende durch.
Uwe Tellkamp: Die Schwebebahn. Dresdner Erkundungen. Mit Fotografien von Werner Liederknecht. Insel-Verlag, Berlin, 4. Auflage, 2011. 165 Seiten.
Bild: Wolfgang Krisai: Blick vom Biergarten am Dach des Yenidze in Dresden, Tuchestift, Buntstift; 2015.