Auf knapp 1000 Seiten schreibt Tellkamp über das Leben und Schicksal der Familie Hoffmann und ihren Verwandten Jahre vor der Wende. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Christian Hoffmann, seinem Vater Richard und seinem Onkel Meno. Christian ist zu Beginn der Erzählung 17 Jahre, Abiturient und noch mitten in der Pubertät. Introvertiert, stolz, wissbegierig und vertieft in seine Musik ist Christian nicht gerade der Klassenliebling. Das interessiert ihn auch gar nicht, denn sein Ziel ist es Medizin zu studieren, seinem Vater nachzueifern und ein großer Wissenschaftler zu werden - doch sein Leben gerät nach und nach aus der Bahn und er entfernt sich - gezwungener Maßen - immer mehr von seinem eigentlichen Traum. Richard ist Chirurg an einem Krankenhaus, hat eine Affäre, aus der sogar eine Tochter entstanden ist und wird vor die Wahl gestellt sein Geheimnis zu lüften oder für die Stasi zu spitzeln. Meno wiederum ist Lektor in einem Verlag und sieht sich ständig gezwungen staatskritische Manuskripte anzulehnen oder umschreiben zu lassen. Im Prinzip kämpfen eigentlich alle Charaktere auf ihre Weise darum, ihre Individualität in der DDR-Gesellschaft zu bewahren und ausleben zu können.
Von der Idee fand ich den Plot wirklich sehr spannend und es gab auch wirklich witzige und total verschrobene Details über das Leben in der DDR, die man sich heute so gar nicht mehr vorstellen kann. Abgeschreckt hat mich aber der fruchtbar umständliche Schreibstil von Tellkamp: Schier endlose Schachtelsätze, die gar nicht mehr enden wollten und ständige Sprünge in Handlung oder Erzählstil, Episoden, die scheinbar nur zum Füllen der Seiten eingeschoben werden und durch die man sich unnötig quälen muss. Schon der erste Satz macht das ganz deutlich. Über eine halbe Seite hinweg ergießt sich ein Wortschwall, der bereits den Einstieg in die Geschichte unheimlich schwer macht:
"Suchend, der Strom schien sich zu straffen in der beginnenden Nacht, seine Haut knitterte und knisterte; es schien, als wollte er dem Wind vorgreifen, der sich in der Stadt erhobt, wenn der Verkehr auf den Brücken schon bis auf wenige Autos und vereinzelte Straßenbahnen ausgedünnt war, dem Wind vom Meer, das die Sozialistische Union umschloß, das Rote Reich, den Archipel, durchädert durchwachsen durchwuchert von den Arterien Venen Kapillaren des Stroms, aus dem Meer gespeist, in der Nacht der Strom, der die Geräusche und Gedanken in sich nahm auf schimmernder Oberfläche [...]"
Charaktere werden eingeführt und spielen dann nach einigen Auftritten gar keine Rolle mehr oder handeln unmotiviert. Auch die Hauptcharaktere blieben insgesamt sehr blass. Am ehesten konnte ich noch Christian greifen, auch wenn er mehr ein Anti-Held zu sein schien. Die anderen Figuren blieben mir völlig fremd und - grade zu Beginn der Erzählung - konnte ich gar nicht einordnen, wohin diese Person jetzt überhaupt gehört.
Und die Ähnlichkeit zu den Buddenbrooks? Naja - es gibt sicherlich ein paar Parallelen: Die Figuren gehören zum Bildungsbürgertum, Musik spielt in beiden Romanen eine sehr große Rolle und wenn man sich Zeit nimmt, findet man sicherlich auch im Aufbau zahlreiche Ähnlichkeiten. Ein bisschen scheint es auch so, als ob Tellkamp die langen Schachtelsätze von Thomas Mann nachahmt - ein neuer Thomas Mann wird er dadurch noch lange nicht. Mein Fazit: Guter Plot, schlecht umgesetzt!
LG Cat
P.S.: Wer gerne noch etwas mehr über den Turm wissen will: Auf der Seite vom Suhrkamp Verlag gibt es einen interessanten Film, in dem Uwe Tellkamp durch das Turmviertel geht und über sein Buch spricht.