Lehren der christlichen Kirchen unter dem Gesichtspunkt der Logik
von Uwe Lehnert
Es ist bemerkenswert und erfreulich, dass in den letzten Jahren immer mehr religions– und kirchenkritische Bücher erscheinen, die aus der Feder von Menschen stammen, die einfach nicht akzeptieren wollen, dass wir der Logik und dem Verstand Grenzen setzen sollten, wenn es um Glauben und Kirche geht. Es sind Menschen, die zudem meist beruflich aus Bereichen kommen, die mit Theologie und kirchlichen Funktionen nie etwas zu tun hatten. Es sind Menschen – der Rezensent zählt sich auch dazu – die die Logik auf alle Gegenstände des Lebens anwenden und die die Widersprüche zwischen Denken und kulturellen Vorgaben nicht akzeptieren mögen. Zu diesen kulturellen Vorgaben gehören in unseren Breiten vor allem die christliche Lehre und das uns allenthalben umgebende kirchliche Wirken.
Uwe Hillebrand hat sich vorgenommen, tragende Elemente der christlichen Lehre und das geschichtliche Wirken der Kirche unter dem Gesichtspunkt der Logik, aber auch der Moral und des Wahrheitsanspruchs zu betrachten. Er nimmt sich dazu in der Art eines Lexikons wesentliche Begriffe vor wie göttliche Allmacht, Beten, Erbsünde, Glaubensgewissheit, Offenbarung, Paradies, Teufel oder etwa Unfehlbarkeit oder Wunder und zerpflückt deren behauptete Bedeutung gnadenlos nach den Regeln unseres Verstandes, durchleuchtet deren Logik, deckt Widersprüche auf und zweifelt zu Recht an deren Sinn und Bedeutung für unser Leben.
So fragt er etwa beim Stichwort Erbsünde, warum einem neugeborenen Kind etwas persönlich angelastet werden sollte, das sich schon vor seiner Geburt, also ohne jegliches eigenes Mittun ereignet hat (eigentlich: ereignet haben soll). Dabei war der Begriff der Erbsünde – so erinnert Hillebrand daran – Jesus selbst noch gar nicht bekannt. Dieser „Unheilszustand“ wurde erst nach Augustinus eingeführt. Beim Stichwort Erlösung bleibt ihm – man kann ihm da nur beipflichten – unverständlich, warum der Tod des Gottessohnes die übrige Menschheit von ihren Sünden erlösen würde. Hillebrand fragt, wie kann ein Mensch stellvertretend für andere sterben? Damit würde indirekt doch zum Ausdruck gebracht, dass eigentlich die gesamte Menschheit hätte hingerichtet werden müssen. Eine Hinrichtung übrigens grausamster Art, von einem Gott der – angeblich – unendlichen Liebe und Barmherzigkeit veranlasst. Oder die Frage nach dem Wesen Gottes oder die Gott zugesprochenen, in sich widersprüchlichen Eigenschaften Allmächtigkeit, Allwissenheit und Allgüte – alles schlicht und einfach erdacht! Der Mensch – so formulierte es einst Feuerbach – schuf sich Gott nach seinem Wunschbilde.
Die Antworten, die Hillebrand formuliert, erscheinen auf den ersten Blick oft fast naiv, geradezu kindlich direkt, und sind doch ins Mark treffend, weil sie einfach den gesunden Menschenverstand in Anspruch nehmen. Hillebrand macht von Stichwort zu Stichwort deutlich, auf welchen Widersprüchen, Ungereimtheiten, Undurchdachtem, Erfundenem, letztlich Irrsinn dieses Glaubensgebäude ruht, das – zumindest statistisch – von über zwei Milliarden Menschen als unumstößliche Wahrheit angesehen wird. Der Autor durchdenkt alle wesentlichen Glaubenselemente und klopft sie auf ihre Logik, Plausibilität und Sinnhaftigkeit ab und kommt zu dem – nicht überraschenden – Schluss, dass dies alles nur geglaubt werden kann, wenn man den Verstand ausschaltet. Unter Verzicht auf das übliche theologische Geschwurbel, mit klaren Worten und nachvollziehbaren Gedankengängen bringt der Autor den Leser zum Nachdenken und – wenn er denn bereit ist logisch mitzudenken – zu der Einsicht, dass dieser Glaube eine gedankliche Konstruktion ist, zugleich aber mit fundamentalen logischen Mängeln behaftet.
Man könnte sich nun fragen, ob Christen nicht logisch denken können. Die Antwort lautet eher, sofern diese sich überhaupt sachkundig gemacht haben, dass sie nicht in aller Konsequenz logisch denken wollen, um so den Widersprüchen von Glauben und Vernunft, Glauben und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entgehen. Dies scheint insbesondere für jene zuzutreffen, die sich ihres Glaubens nicht mehr sicher sind, aber nach einem bequemen Ausweg suchen, sich der Konsequenz ihres Zweifels zu entziehen. Der Wunsch nach einem in sich widerspruchsfreien Weltbild mag den wissenschaftlich, speziell naturwissenschaftlich geprägten Menschen kennzeichnen, manch ein Gläubiger sieht es geradezu als Merkmal seines festen Glaubens an, solche „Widersprüche auszuhalten“.
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