USA: Wirtschaftshype – Vater Staat belagert die Geisterstädte

USA: Wirtschaftshype – Vater Staat belagert die Geisterstädte
von Paul Craig Roberts und Johannes Maruschzik

USA: Wirtschaftshype – Vater Staat belagert die Geisterstädte

US-Geisterstadt – “Boody Town”

Derzeit veröffentlichen die Medien fast täglich Berichte, in den Vereinigten Staaten habe ein breiter wirtschaftlicher Aufschwung eingesetzt und das Land stehe vor einer allmählichen Reindustrialisierung. Vor allem der ‚wettbewerbsfähige’ Wechselkurs des US-Dollars und die Schiefergasrevolution mit Hilfe des Frackings, die im Inland eine neue, kostengünstigere Energiequelle erschließen soll, werden als treibende Kräfte einer für die USA günstigen wirtschaftlichen Entwicklung ausgemacht.
Und diese gehe zu Lasten der Schwellenländer. Medienberichten zufolge hat beispielsweise Manoj Pradhan, „Schwellenländerexperte“ bei Morgan Stanley, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters gesagt: „Vor dem Hintergrund des Schuldenabbaus der US-Haushalte könnte es gut sein, dass Investitionen und Produktion zu einem nachhaltigen Wachstum führen. Denken Sie einen Augenblick darüber nach, was das für die Schwellenländer bedeutet: Die USA werden als Wettbewerber – nicht als Konsument – zu nachhaltigem Wachstum zurückkehren.“ Ein beeindruckendes Statement. Doch wie sieht die Realität aus?

Entgegen den Medienberichten steckt die US-Wirtschaft nach wie vor in der Rezession. Ein realer Aufschwung ist nicht in Sicht. Nur zwei ökonomische Kennziffern weisen auf eine wirtschaftliche Erholung hin: das offizielle reale BIP und die U.3-Arbeitslosenquote. Das offizielle BIP ist um eine unrealistisch niedrige Inflationsrate deflationiert. Statt der offiziell gemeldeten Inflationsrate von 2 Prozent (CPI-U) sieht Statistiker John Williams von Shadowstats.com die wahre US-Inflationsrate aktuell bei 9,6 Prozent (er misst die Inflationsrate weiterhin anhand der Methode, mit der die US-Regierung sie noch 1990 offiziell gemessen hat). Mit anderen Worten: Die Höhe des realen BIP wird überschätzt. Auch die U.3-Arbeitslosenquote zeichnet kein realistisches Bild der wahren Lage auf dem US-Arbeitsmarkt. Die U.3-Arbeitslosenquote sinkt nur deshalb, weil sie nicht all jene Arbeitskräfte mitzählt, die ihre Arbeitsplatzsuche entmutigt aufgegeben haben. Vielmehr beträgt die tatsächliche Arbeitslosenquote das Zwei- bis Dreifache der offiziell gemeldeten Quote.

Keine andere ökonomische Kennzahl deutet auf eine Erholung der US-Wirtschaft hin – weder die realen Einzelhandelsumsätze noch der Haus- und Wohnungsbau, das Konsumentenvertrauen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder die durchschnittlichen Wochenlöhne und -gehälter. Die realen Einkommen der Konsumenten in den USA stagnieren oder fallen sogar. Die Konsumenten sind zu hoch verschuldet, als dass sie ihre Ausgaben mit noch höheren Schulden finanzieren könnten. Ohne wachsende Konsumnachfrage kann eine Volkswirtschaft, die von der Konsumnachfrage abhängig ist, allerdings nicht vorankommen.

Die De-Industrialisierung hat den Vereinigten Staaten das Genick gebrochen. Im Zuge des Offshorings – der Verlagerung der Produktion von Waren für den amerikanischen Markt in Billiglohnländer, um Lohnunterschiede auszunutzen – wurden bereits Millionen Arbeitsplätze der amerikanischen Mittelklasse vernichtet. Die einst so dynamische Mittelklasse löst sich auf. Die Dimensionen sind gewaltiger, als das in Europa in aller Regel wahrgenommen wird: Laut Manufacturing and Technology News vom September 2011 wurden in den USA innerhalb von zehn Jahren knapp 55.000 Fabriken stillgelegt. Die Zahl der Arbeitnehmer in der verarbeitenden Industrie ging um 5 Mio. Menschen zurück.

Der Arbeitsplatzabbau beschränkt sich nicht auf die Produktion von Waren. Vielmehr folgen viele Arbeitsplätze des Dienstleistungssektors den ins Ausland verlagerten Jobs des produzierenden Sektors. Das gilt insbesondere auch für die Arbeitsplätze in der Forschung und Entwicklung (R&D), was jetzt 20 MIT-Professoren und ihre Studenten in einer neuen Studie bestätigt haben. Innovation findet dort statt, wo produziert wird. Der Business in China Survey 2013 der China Europe International Business School (CEIBS) nennt Zahlen: Demnach verfügen 52 Prozent der in China angesiedelten Unternehmen, die Ausländern gehören und sich an dem Survey beteiligt haben, bereits über R&D-Aktivitäten in China. Knapp zwei Drittel der aus- und inländischen Unternehmen in China planen, ihre Investitionen in R&D in den kommenden drei Jahren aufzustocken.

Arbeitsplätze werden heute in den USA fast nur noch in schlecht bezahlten Service-Bereichen für den heimischen Markt geschaffen, an denen weder handelbare Güter noch handelbare Dienstleistungen entstehen, die exportiert werden können. Die „Neue Ökonomie“ Amerikas ist in Wahrheit die „Offshored Economy“, stellt auch Nobelpreisträger Michael Spence fest. Die ehemaligen Einkommen von Millionen Amerikanern sind heute die Einkommen von Chinesen und Indern sowie die Kapitalgewinne der Aktionäre und die Millionen-Boni der Vorstände, die die Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben.

Mehr und mehr US-Bürger geraten in wirtschaftliche Not. Städte verfallen. Aus Downtowns werden Notowns. Die „Modern Day“ Geisterstadt Gary in Indiana ist kein Einzelfall. „Americas Newest Ghost Town“, „Ghost Towns Popping up Everywhere“ sind die Titel beklemmender Videos im Internet.

Inzwischen rüstet die US-Staatssicherheitsbehörde Homeland Security auf, bewaffnet sich mit Panzerfahrzeugen und Munition. Und sie bildet Jugendliche zu FEMA Corps aus. Sind das Vorbereitungen, um soziale Unruhen niederzuschlagen? Am 7. März 2013 legte der republikanische US-Senator Paul Cruz dem Kongress Bill S. 505 vor – ein Gesetz, dass verbieten soll, dass Drohnen in den Vereinigten Staaten zum Töten amerikanischer Bürger eingesetzt werden. Indessen scheinen sich die Drohnenindustrie und die US-Politik nach Kräften zu unterstützen. Wo bleiben Berichte dazu in den europäischen Mainstream-Medien? Aber Hauptsache, die Europäer sind über den Aufschwung der US-Volkswirtschaft und die Wunderwirkung des Frackings informiert.

Die Perspektiven für einen Wiederaufbau der entindustrialisierten Volkswirtschaften, die glaubten, schlau daran zu tun, auf die Dienstleistungsbranche zu setzen, verschlechtern sich kontinuierlich. Der Wettbewerb aus China und aus anderen Schwellenländern bläst der hoch verschuldeten westlichen Welt zunehmend ins Gesicht. China arbeitet unter Hochdruck daran, die USA als Weltwirtschaftsmacht abzulösen und den Greenback gegen den „Redback“ – die chinesische Volkswährung Renminbi – als Leit- und Reservewährung der Welt zu ersetzen. Mit jedem weiteren bilateralen Abkommen zwischen China und anderen Schwellenländern, Handelsgeschäfte nicht mehr in US-Dollar, sondern in den eigenen Währungen abzuwickeln, schwindet die Bedeutung des US-Dollars. Schritt für Schritt baut China die Basis für die Konvertierbarkeit des Yuan. Amerika hat wohl kaum noch das Potenzial, das zu verhindern.

Im Gegenteil: Die Federal Reserve fördert diese Entwicklung nach Kräften. Mit dem Aufkauf von US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherter Finanzinstrumente monetarisiert sie im Rahmen von „Quantitative Easing 3“ alljährlich Schulden in einer Größenordnung von mehr als einer Billion US-Dollar. Gerade erst hat der Federal Reserve-Vorsitzende Ben Bernanke bestätigt: Bis auf weiteres bleibt es dabei. Ein verzweifelter Versuch, den völligen Absturz der US-Wirtschaft möglichst lange hinauszuschieben, mit dem die Federal Reserve den Wert des Greenbacks allerdings weiter untergräbt. Früher oder später muss es zur Flucht aus der US-Währung kommen. John Williams glaubt, dass es spätestens 2014 so weit ist.

Ungeachtet der verheerenden ökologischen Folgen des Frackings, das der Umwelt hohe externe Kosten auferlegt – sowohl die vermeintlich immense Bedeutung des Frackings für eine Reindustrialisierung der USA als auch der angeblich in der Breite einsetzende Aufschwung der US-Ökonomie sind nichts als Hypes, die den USA gut ins Konzept passen. Je mehr die Welt an den Wiederaufstieg Amerikas als führende Wirtschaftsmacht der Welt glaubt, desto eher gelingt es Washington, seine Staatsanleihen an den Finanzmärkten zu platzieren. Nichts muss Amerika so fürchten, wie den Untergang des US-Dollars als Leit- und Reservewährung der Welt. Denn dann droht Amerika die Zahlungsunfähigkeit, kann das Land seinen Konsum und seine Kriege nicht mehr mit selbst bedrucktem Papier finanzieren – das Ende der Hegemonialmacht Amerika.

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Paul Craig Roberts


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