USA: Mit Gottvertrauen in den Abgrund

Die größte Industrienation der Welt steht vor der Pleite. Was hat man auf den armen Griechen herum gehackt, als sich heraus stellte, dass sie ihren Staatshaushalt immer wieder dermaßen überzogen haben, dass irgendwann kein Menschen mehr glauben wollte, dass sie die dafür geliehene Kohle jemals zurück zahlen könnten. Aber statt dem winzigen Griechenland mit seinen lächerlichen Schulden ist nun die Weltführungsnation Nummer 1 höchstselbst demnächst zahlungsunfähig! Aber noch traut sich keiner, mit dem Finger auf die Rekordschuldenmacher zu zeigen und von überzogenen Rüstungsausgaben und zu üppigen Steuergeschenken für die Reichen und dergleichen mehr zu schimpfen. Denn üppige Beamtengehälter und hohe Renten kassieren die Amis in der Regel nicht, wenn sie es sich überhaupt leisten können, in den Ruhestand zu gehen.

Aber noch warten alle auf einen erlösenden Kompromiss. Auch wenn es jetzt tatsächlich so aussieht, als ob die Republikaner lieber wieder Tee ins Meer werfen, statt ihn zu trinken: Lieber die ganze USA aufs Spiel setzen, als einen schwarzen Präsidenten die Nation retten zu lassen. Ausgerechnet der feste Glaube derer, deren Ansicht nach niemand geringerer als Gott persönlich die USA dazu ausersehen habe, über die Welt zu herrschen, führt die Vereinigten Staaten nun in den Abgrund. Ich kann nicht sagen, dass mir das besonders leid täte – schon weil ich weder Gottesfürchtige, noch Patrioten besonders leiden kann. Das sind Leute, die sich bewusst einer radikalen Dummheit (glauben heißt bekanntlich nicht wissen) verschreiben und auf alle los gehen, die weniger dumm sein wollen. Weil sie eben glauben, die beste, meiste, tollste oder was auch immer Nation im Rücken zu haben, die in der ganzen Welt großzügig Freiheit und Demokratie verteilt, um die derart beglückten Leute dann dem US-Kapital zu unterwerfen und entsprechend auszubeuten. Denn die ganze Welt ist dazu da, die US-Amerikaner reich zu machen, und ganz besonders die Reichen unter ihnen. Weil Gott das so will. Die Reichen müssen dann nicht mal besonders gottesfürchtig sein, sofern sie nur reich genug sind. Kapitalismus ist dann Religion genug.

Dass längst immer mehr tüchtige und arbeitsame Landsleute am Hungertuch nagen, weil der gute alte Kapitalismus, bei dem auch die Spatzen sich noch die Haferkörner aus den Pferdeäpfeln picken konnten, weil das Pferd entsprechend gut im Futter stand, nicht mehr so wie früher funktioniert, wird von den Konservativen hartnäckig ignoriert. Nicht nur in den USA übrigens. Auch unsere liebe schwarzgelbe Regierung tut ja so, als würde alles wieder gut, wenn man ein bisschen an die Wirtschaft appelliert, netter zu den Arbeitnehmern zu sein und die Banken versprechen lässt, sich nicht dauernd retten lassen, wenn sie sich wieder ganz doll verzockt haben. Das ist genauso, als ob man einem Spielsüchtigen vor dem Casino ein paar Hunderter in die Hand drückt, damit er endlich mal zur Therapie geht. Nur dass es für den Kapitalismus keine Therapie gibt. Jedenfalls keine, damit er wieder besser funktioniert. Er funktioniert mit all seinen Krisen ganz hervorragend, nur geht es den meisten Menschen damit schlecht, genau wie der Umwelt und dem Klima. Aber solange selbst die Ökos glauben, dass es ohne Kapitalismus nicht ginge und es dann halt einen grünen Kapitalismus geben müsse, wird die Welt nicht besser.

Die kommunistische Partei Chinas soll in ihrer Parteizeitung „Renmin Ribao“ laut einer Reuters-Meldung schreiben, dass die Schuldenkrise in den USA auch zeige, wie blöd das politische System der USA sei: Das Präsidialamt könne nicht einfach durchgreifen und was Vernünftiges tun, weil das Wahlsystem die Handlungsfreiheit entscheidend einschränke. Mit Blick auf die Wahlen im kommenden Jahr seien die Folgen des Finanzstreits für die ganze Welt völlig aus dem Blick geraten. China ist der größte Gläubiger der USA und hat somit natürlich ein gesteigertes Interesse daran, dass die USA nicht Pleite gehen. Auch eine ganz reizende Ironie: Das (angeblich) kommunistische China sorgt sich um die Zahlungsfähigkeit seines kapitalistischen Wettbewerbers. Das kommt davon, wenn man mit Kapitalisten Geschäfte macht. Wären die Chinesen so kommunistisch, wie ihnen gern unterstellt wird und dazu auch noch wirklich clevere Geschäftsleute, könnten sie sich nun mit verschränkten Armen in Ruhe ansehen wie die Volkswirtschaft Nummer 1 im Schuldensumpf versinkt, um sich dann selbst dazu aufzuschwingen, den Laden zu übernehmen. Aber offenbar war das Vertrauen der chinesischen Genossen in die schier unendliche Potenz ihres kapitalistischen Gegners so groß, dass sie so viel darin investiert haben, dass sie am Ende noch mit ihm untergehen. Das wäre wirklich fatal.



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