Mord in einer psychiatrischen Klinik
Gleich vorweg: Der Roman ist gut geschrieben und spannend, gewährt außerdem Einblicke in eine Sphäre, in die man lieber real keinen Einblick haben möchte: in eine psychiatrische Klinik.
Am nördlichen Stadtrand Salzburgs liegt nämlich das – fiktive – Klinikum (wie Krankenhäuser neuerdings euphemistisch genannt werden) Salzburg Nord, das auch eine psychiatrische Abteilung hat. Dort ist ein junger Arzt ermordet worden, und die Leiche wurde auf seltsame Weise mit Kindermessern aus Plastik dekoriert.
Die aus den beiden vorherigen Thrillern “Fünf” und “Blinde Vögel” schon bekannten Polizeibeamten Beatrice Kaspary und Florin Wenninger ermitteln ohne viel Erfolg zunächst, können also auch nicht verhindern, dass es zu weiteren Morden kommt.
Dem Abteilungsleiter Dr. Klement geht es offenbar weniger um die armen Ermordeten als um seinen gefährdeten Ruf als Wissenschaftler. Der tote Arzt könnte daran gedacht haben, auffliegen zu lassen, dass Klement seine Forschungsergebnisse frisiert.
Missbrauchsopfer schweigt
Klements wichtigste Patientin ist ein Extremfall: Jasmin Matheis (spricht man die eigentlich Mathé-is oder Máth-eis aus? Ich habe immer die erste Variante „gehört“). Das ist eine riesenhafte Frau, die schwer traumatisiert ist, weil sie viele Jahre lang von ihrem Vater, einem minderbemittelten Bauern, im Keller eingesperrt und missbraucht wurde. Per Zufall wurde sie entdeckt. Die beiden dieser Verbindung entsprungenen Kinder wurden vom Vater im eigenen Fischteich ertränkt. Als die Sache aufflog, erhängte sich der Vater. Die Tochter kam in die Klinik, weil sie kein Wort spricht und auch sonst kaum Reaktionen zeigt. Von der Außenwelt ist sie völlig abgeschirmt.
Beatrice entdeckt jedoch mit der Zeit zaghafte Ansätze zu „Mitteilungen“ seitens Jasmins. Diese hängen mit Tarot-Karten zusammen, die Jasmin in einem krankenhaus-internen Tarot-Seminar kennengelernt hat. Das ist wichtig, da Jasmin beim ersten Mord diese seltsamen Messerchen arrangiert hat, wie die darauf befindlichen Fingerabdrücke beweisen.
Ein anderer wichtiger Patient ist Walter Trimmel, der ständig eingebildete „Stimmen“ hört, die ihm Vorwürfe machen oder ihm irgendetwas Erniedrigendes befehlen, wie zum Beispiel, das Blut der Arztleiche aufzulecken. Trimmel wird im Lauf des Romans selbst Opfer eines Mordversuchs.
Überfall auf die Polizistin
Ja, auch Beatrice wird eines Nachts an ihrer Haustür überfallen, kann dem Schlag mit einer Eisenstange allerdings ausweichen und dem Täter mit dem Schlüsselbund Wunden im Gesicht zufügen. Am nächsten Tag gibt es im Klinikum wieder einen Toten, einen Pfleger – und dieser hat im Gesicht Wunden, die von Beatrices Schlüsselbund stammen.
Schließlich kommt es zu einem dramatischen Finale, das ich entgegen meiner Blogphilosophie hier nicht verrate.
Das psychologische Drumherum
Die Misere, die zwischen Beatrice und ihrem Ex-Mann Achim besteht, geht auch in diesem Roman weiter. Daneben aber kommen sich Beatrice und Florin näher und schlafen sogar miteinander. (Da bahnt sich für die nächsten Thriller ein Konfliktpotential hat, da die Liebe zwischen Arbeitskollegen sicher nicht so einfach ein wird…)
Der unsympathische Chef der beiden, Hoffmann, macht gerade Schreckliches durch, weil seine Frau an Krebs stirbt, sodass er keine Zeit hat, Beatrice auf die Nerven zu gehen. Das macht dafür der arrogante und selbstherrliche Kollege Bechner, der zum Schluss aber ganz klein wird, weil er irrtümlich ausgeplaudert hat, dass Jasmin Mateis in der Klinik lebt, was natürlich sofort weltweites Aufsehen erregt.
Auch der wegen seines Geschwätzes nervtötende Polizeipsychologe Dr. Kossner hat wieder seine Auftritte, darf aber durchaus auch Brauchbares zum Fall beitragen.
Also: Solide Arbeit der Autorin, genau das, was man sich von einem guten Krimi erwartet.
Ursula Poznanski: Stimmen. Thriller. Wunderlich/Rowohlt, Reinbek, 2015. 441 Seiten.
Bild: Wolfgang Krisai: Blick auf Salzburg mit dem Mozartsteg. 2013. Tuschestift.