Wolfgang Krisai: Festung Hohensalzburg von Südosten. Bleistift.
Ein großer Thriller-Leser bin ich an sich nicht, aber wenn es um ein Werk einer ehemaligen Schülerin unseres Gymnasiums geht, das noch dazu enorm spannend ist, dann kann ich nicht anders, als mich hineinzustürzen: Ursula Poznanski: „Blinde Vögel“.
Das ist der zweite Thriller für Erwachsene und der zweite Band der – zu erwartenden – Serie mit dem Ermittlerduo Beatrice Kaspersky und Florin Wenninger aus Salzburg.
Im ersten Krimi spielte das Geocachen eine wesentliche Rolle, und diesmal ist es eine Facebook-Gruppe, in der die Fäden der Handlung zusammenlaufen. Nicht gerade eine krimi-typische, nämlich eine Lyrik-Fangruppe, in der die Beteiligten Gedichte von Rilke, August Stramm, Heine und anderen großen Dichtern posten und ausgiebig kommentieren.
Facebook-Gruppe
Diesmal bildet ein Doppelmord den Ausgangspunkt, der wie ein Mord und anschließender Selbstmord des Täters aussieht. Die beiden Toten waren in der Lyrik-Gruppe angemeldet, kannten sich aber sonst bis wenige Tage vor ihrem Tod nicht.
Einige Tage später gibt es den nächsten Toten, dann noch eine vermeintliche Selbstmörderin – und so nimmt der Roman immer mehr Fahrt auf, bis er wirklich enorm spannend wird.
Schließlich stellt sich heraus, dass die Morde etwas man dem Balkankrieg um 1990 zu tun haben, sodass der Roman auch noch eine zeitgeschichtliche Wende bekommt.
Mix aus Krimi, Literatur und Geschichte
Diese Mischung mag Poznanski herausgefordert haben: in einen „normalen Thriller“ eine Menge hohe Literatur einzubauen und dem ganzen noch einen ernsten geschichtlichen Touch zu verleihen.
Die verwendeten Gedichte, u. a. „Patrouille“ von August Stramm oder Rilkes berühmter „Panther“, sind von höchster Qualität, und wenn der Band dazu beiträgt, diese Dichter mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, dann soll mir das nur recht sein.
Wichtig und lehrreich ist auch die Rolle, die Facebook in diesem Roman spielt: Die Polizei verwendet es sofort, um an Informationen über die Personen im Umkreis der Toten zu kommen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass Poznanski hier – bewusst oder nicht – stark untertreibt, wie schnell die Polizei Internet-Aktivitäten, Handy-Telefonate und SMS lückenlos mitprotokolliert und daraus Schlüsse zieht. Jedenfalls aber macht der Roman bewusst, dass man in sozialen Netzwerken nicht unbeobachtet bleibt und auch ausforschbar ist, wenn man anonym zu bleiben versucht.
Die Jugoslawien-Kriegsverbrecher-Thematik, die zwar von Anfang an angedeutet ist, aber erst gegen Schluss richtig durchbricht, wirkt fast ein wenig bemüht: Sie soll dem Buch moralisches Gewicht geben. Für mein Gefühl ächzt der Roman aber gewaltig unter dieser Last, denn die angesprochenen Untaten sind so haarsträubend, dass ihre „Verwendung“ in einem Thriller an ein Sakrileg grenzt. Andererseits steckt darin natürlich die aufklärerische Absicht des Buches.
Stil: Cannelloni statt Blunzngröstl
Stilistisch ist der Roman, wie auch schon der Vorgänger, solide geschrieben. Es gibt keine Peinlichkeiten, aber auch keine literarischen Experimente, keine Versuchung, die Salzburger Umgangssprache irgendwie einfließen zu lassen, andererseits auch keine lästigen Anbiederungen an die deutschen Leserinnen und Leser. Ich stelle mir vor, dass es eine Gratwanderung für die Autorin war, alle Wörter zu vermeiden, wo es zwischen Deutschland und Österreich auffallende Diskrepanzen gäbe. So sind zum Beispiel die Gaststätten, die vorkommen, keine österreichischen, sondern italienische oder typische In-Lokale, wo man Cannelloni isst statt Blunzngröstl.
Ein unbedingt lesenswerter Thriller.
Ursula Poznanski: Blinde Vögel. Thriller. Wunderlich-Verlag im Rowohlt-Verlag, Reinbek 2013. 476 Seiten.