Urlaubserinnerungen aus der Flasche

Erstellt am 11. April 2015 von Suse

Katharine, Daria und Enrico sind Praktikanten an der “Weinuni” in Geisenheim und verschickten an 24 BloggerInnen eine Flaschenpost mit jeweils sechs Fladschen unterschiedlichster Weine. Die Idee war, sich bei einem Gläschen Wein auf eine gedankliche Reise in den Urlaub zu begeben. Und diese natürlich aufzuschreiben und zu teilen.

Wohin geht die Reise?

Der Weltbeste und ich haben bei einem guten Wein, den wir zusammen mit ein paar Oliven und einem Stückchen alten Peccorino genießen unseren Urlaub in der Toscana vor Augen.
Anfang April 2002 besuchten wir dort Julia, eine meiner ältestens Freundinnen (sie heißt nicht wirklich Julia, könnt Ihr Euch ja denken). Sie war als Erasmusstudentin für ein Jahr in Pisa und wir waren neugierig, wie sie in Italien lebte.

Zunächste machten wir Pisa und die nähere Umgebung unsicher. Dann fuhren wir mit dem Zug nach Florenz, Viareggio, Sienna und Lucca. Zusammen hatten wir sehr viel Spaß und rückblickend gab es auch null Komplikationen.

Mich interessierte aber sofort, wie Julia unseren Besuch in Erinnerung behalten hat und ich lud sie auf ein Glas Wein ein, um gemeinsam in Erinnerung zu schwelgen. Der französische Merlot schmeckte uns am besten, deswegen hat er es auch aufs Titelbild geschafft.
Und wenn man dann erst mal dabei ist Erinerungen aufzufrischen, macht man doch erstaunliche Entdeckungen, was einem wirklich im Gedächtnis bleibt.

Suse und Julia in der Toskana

Ich lasse Julia zuerst zu Wort kommen. Anmerkungen von mir in [  ]. Kursiv meine Erinnerungen.

Die Wohnung

Was mir spontan dazu einfällt: Die Unterbringung der beiden war abenteuerlich und unkonventionell – in einer ausgeräumten Mietwohnung. Seltsames Bad, irgendwann ein weiterer Mitbewohner, die Nebenkosten am Ende viel höher als gedacht. Ich machte mir große Vorwürfe. Was hatte ich da nur eingefädelt?!? Susan beschönigte weder noch dramatisierte sie; sie nahm die Situation nüchtern, aber doch gelassen. Das bewunderte ich sehr.

Ich war froh, daß wir eine Unterkunft gefunden hatten. Ob es wirklich teuer war oder nicht weiß ich gar nicht mehr. Der Vermieter hatte sich nicht die Mühe gemacht den Schimmel aus der Wanne zu entfernen. Na und. Damals war mir das wirklich egal. Hauptsache Dach über den Kopf.

Viareggio

Susan [so nennt mich nur Julia, hat irgendwas von Hollywood] sah bei dem Besuch strahlend und wunderschön aus. Man sah ihr an, dass sie noch immer frisch verliebt war. Sie hatte eine neue Frisur, von der ich so begeistert war, dass ich mir die Haare ähnlich schneiden ließ. Das war bei einem Ausflug nach Villareggio. Auf dem Markt dort kaufte Susan eine Handtasche.

Was für ein tolles Kompliment. Auf den Bildern sieht man mich 13 Jahre jünger als jetzt. Ein unbeschriebenes Blatt würde ich sagen. Jung, unerfahren und mit großem Hunger auf das Leben. Und die Handtasche hat leider nur ein paar Jahre gehalten.

Zudem gingen wir an den Strand. Ich war dort früher im Jahr schon einmal mit Italienern gewesen – allein auf weiter Flur. So war ich überrascht, wie viele Menschen jetzt dort anzutreffen waren. Mich irritierte ein Hund, der zu einem unserer Handtuchnachbarn gehörte und interessiert beobachtete, wie wir picknickten. Und wahrscheinlich gerne etwas von unserem Essen – Oliven und Kekse? – abbekommen hätte. So war ich etwas angespannt. Susan wirkte auch hier sehr gelassen. Beide, Susan und ihr Mann [damals noch nicht verheiratet], sahen so aus, als ob sie die Sonne und das Meer genossen.

An die vielen Italiener kann ich mich nicht mehr erinnern. Für mich ist der Strand leer gewesen. So wie auf dem Bild oben. Und der Hund ist mir auch nicht mehr im Gedächtnis. Nur noch Die Oliven, die Kekse und nicht zu vergessen: Wein und Käse!
Und klar haben wir die Sonne, den Strand und das Meer genossen! Für uns waren das die ersten Anzeichen des Frühlings nach einem langen Winter. Ich war zuvor sechs Wochen zum Sprachkurs in Bonn Bad Godesberg, wo ich einen Lettisch Intensivkurs besuchte. Den Urlaub in Süden hatte ich mir redlich verdient.

Florenz

Ein weiterer Ausflug führte uns nach Florenz. Bei den Uffizien machte ich ein Foto von Susan und ihrem Mann [der Weltbeste möchte nicht in dieses Internet, deswegen müßt Ihr Euch das Bild vorstellen: junge hübsche Frau mit äußerst atraktivem Mann]. Die beiden sitzen nebeneinander; ich glaube auf einer Treppe; sie umarmen sich, lehnen sich aneinander. Sie sehen sehr, sehr verliebt aus. Ich habe mir das Foto später noch öfter angesehen. Susans Ausdruck ist mir noch präsenter als der von Carsten. Ich glaubte, darin nicht nur große Verliebtheit sondern auch Wissen um die eigene Autonomie zu entdecken. – Bedingungslose Hingabe und ironische Distanz – zwei einander eigentlich entgegengesetzte Zustände – auf das Anmutigste miteinander verbunden.

Dieses Bild habe ich auch noch vor Augen: Ich war hundemüde und wollte mich nur noch hinsetzen. Es war ziemlich warm und eigentlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits genug Kultur genossen. Lustig, wie malerisch man solche Gefühle ausdrücken kann liebste Freundin. Das mit der Autonomie gefällt mir ausgesprochen gut!

 Die Gänseblümchen

Als wir im botanischen Garten in Pisa auf einer Wiese saßen, steckte mir Susan Gänseblümchen ins Haar. Ich merkte es zuerst gar nicht und war dann verärgert darüber. Susans Mann machte später ein Foto von Susan und mir, wie wir beide mit Gänseblümchen im Haar da saßen. Man sieht dem Foto nicht im Geringsten an, dass Susan im Vorfeld nur Unsinn machte und ich so genervt von der Situation war. Wir sehen beide völlig unschuldig und jung darauf aus. Ich mochte dieses Bild so gern, dass ich es mir später zum Geburtstag wünschte – und bekam: auf ein T-Shirt gedruckt und zusätzlich noch gerahmt.

Manchmal habe ich nur Quatsch im Kopf. Damals wie heute. Dort im Park war es so schön warm und frühlingshaft und es gab Unmengen an Gänseblümchen. Julia erzählte und ich fand es lustig, daß sie nicht bemerkte, wie ich ihr die Blumen ins Haar steckte. Und mir kam es völlig albern vor, daß sie sich danach so aufkeksen mußte. Rückblickend weiß ich natülich: Du fühltest Dich bloßgestellt, vorgeführt, blamiert. Sorry.

Die Kirchen

In Siena übertrieb ich es mit den Kirchenführungen, so dass Susan irgendwann streikte, sich demonstrativ auf eine steinerne Bank setzte und vor der Kirche – war es nicht ein Nebengebäude der Kathedrale? – in die ich sie unbedingt noch schleppen wollte, sitzen blieb. Ein „Denk mal!“ für mich. Zuerst fand ich sie einfach nur störrisch. Dann wurde mir klar, dass ich mich in anderer Hinsicht ebenso unvernünftig verhalten hatte: Ich hatte ihr unbedingt das Beste, Schönste und Tollste zeigen wollen. Beim Abarbeiten der sich daraus ergebenden Agenda hatte ich sie und den Spaß völlig aus dem Blick verloren, hatte gar nicht mehr gefragt, was sie in dieser Situation gut, schön und toll finden könnte.

Ganz ehrlich? Nach der gefühlt hundertsten Kirche habe ich nur noch gedacht: “Laßt mir meine Ruhe und schiebt Euch Eure Kirchen sonstwohin!” Sie waren sicher alle sehenswert. Aber nicht alle an einem Tag! Ich finde es ein bißchen schade, daß ich kaum eine Sehenswürdigkeit mehr einer Stadt zuordnen kann. Liegt aber an mir, weil ich damals einfach kein Interesse hatte das aufzunehmne. Heute wäre das anders. Ich würde zumindest buchführen, wann wir wo gewesen sind.

Und sonst?

Susan interessierte sich bei dem Besuch immer wieder für neue Geschmackseindrücke. – Oliven, Käse, Torrone, Cioccolata densa [vergleichbar mit der spanischen heißen Schokolade. Sehr cremig und lecker!]. Mir wurde dadurch viel bewusster, dass auch dies eine wunderbare Möglichkeit ist, eine andere Kultur zu entdecken.

Oh, wie recht Du hast! Ich liebe es Menschen zu beobachten und ihnen im Alltag zu folgen. Auf den Markt, in den Waschsalon oder ins Café. So lerne ich am liebsten Land und Leute kennen. Ganz wichtig: das Essen. Und was habe ich damals gelernt? Cappuccino trinkt man zum Frühstück. Aber niemals nach dem Mittagessen. Und es gibt unglaublich viele leckere Gerichte (auch ohne Fleisch) in Italien.

Ich begleitete Susan und Carsten zum Flughafen, als sie zurückflogen. Witzigerweise hatte Susan gleich mehrere Nagelscheren in ihrem Handgepäck, die sie mir schnell noch über die Absperrung reichte. Ich empfand viel Wehmut beim Abschied. Wir hatten in den Tagen davor so viel miteinander unternommen, dass ich die beiden am liebsten noch länger da behalten hätte.

Abschied ist immer schwer für mich. Am Flughafen wurde es durch diese Nagelscherenszenerie wenigstens noch lustig. Aber liebste Julia: die gehörten alle meinem Mann. In jeder erdenklichen Seitentasche hatte er eine aufbewahrt. Ich frage mich nur, wie er damit überhaupt nach Italien einreisen durfte.

Herzlichen Dank an Dich Julia, daß Du Deine Erinnerungen mit mir geteilt hast und meinen eigenen Erinnerungen auf die Sprünge geholfen hast. Vielleicht können wir diese Reise ja in irgendeiner Art und Weise einmal wiederholen!

Und lieben Dank an Katharine, Daria und Enrico, die den Anstoß dazu gegeben haben.