Urlaub

Sieben Wochen muss ohrfunk.de, das Radio, das Brücken baut, in diesem Sommer auf mich verzichten. Ich nehme mir eine Auszeit, einen Urlaub, den ich als wirklich notwendig empfinde. Aber es ist gar nicht so leicht, Urlaub zu haben.Heute ist der neunte Tag meines Urlaubs. 9 von 49 Tagen sind rum, damit werden am Ende dieses Tages rund 18,4 % meiner Auszeit vergangen sein. Ein erschreckender Gedanke, im Grunde geht es ja schon fast wieder los. Und ich bin irgendwie noch gar nicht zum Durchatmen gekommen. Nur im Ansatz habe ich begriffen, dass ich frei habe, frei atmen kann, mal wiederr nach Themen suchen kann, die mich wirklich interessieren, um sie ohne Zeitdruck zu recherchieren und so über sie zu schreiben, wie ich selbst es für richtig halte, ohne auf die Länge von Radiokommentaren beschränkt zu sein. Denn ich blogge ja schon lang nicht mehr einfach so, weil Ohrfunk mir dafür keine Zeit lässt. Nach der täglichen Arbeit bin ich so ausgepowert, dass ich mich nicht intensiv irgendwelchen Themen widmen kann, selbst der Besuch bei Freunden gelingt extrem selten, vom Schreiben, nicht nur fürs Blog, sondern auch für meine Science-Fiction-Geschichten, die ich als Hobby hin und wieder verfasst habe, ganz zu schweigen. Da ich für Ohrfunk ja nun einmal ehrenamtlich arbeite, aber beinahe die Zeit eines ganz normalen Jobs investiere, bin ich, wie jeder normale Arbeitnehmer, unzufrieden, wenn private Dinge auf der Strecke bleiben. Es kommt aber noch hinzu, dass meine Arbeit im Sender anders gesehen wird als die der Moderatorinnen und Moderatoren von Musiksendungen, oder der, die dankenswerterweise den Stream aufrecht erhalten. Sie sind länger und intensiver direkt auf dem Sender zu hören, ihre Arbeit ist für Kollegen wie HörerInnen unmittelbarer spürbar. Meine findet größtenteils an meinem Schreibtisch und am Telefon statt, und am Ende kommen 5 bis 10 Minuten pro Tag heraus, es sei denn, meine Liebste sendet ihre wöchentliche Sendung neuer Musik, oder einer von uns präsentiert am Sonntagabend unsere Sendung “Candlelight”. Unsere dritte Sendung, “infocafé”, die alle zwei Wochen ein thema vertiefend behandeln soll, ist im Alltag, wo wir nach Themen für Kommentare und Interviews für unsere tägliche Magazinsendung suchen, oft nur schwer zu bestücken. Selbst im Urlaub denke ich intensiv darübe nach, wie wir Veranstaltungen und Themen zusammen bekommen.

Der Sender lässt mich nicht los. Hin und wieder, wenn das Wetter gut ist, dann sitze ich auf unserem Balkon. In der Nachbarschaft hört man die Kinder, Krähen fliegen über das Haus, und ich erinnere mich an Holland. Dort, mit viel guter Musik und einer Schreibmaschine oder dem ersten Computer bewaffnet, dort konnte ich Urlaub machen. Ohne Telefon, ohne die Notwendigkeit vorausplanen zu müssen. Ich hoffe, dass mir das nach drei bis vier Wochen Urlaub auch hier gelingt. Ungefähr nach der fünften Woche, so nehme ich an, also rund 2 Wochen, bevor es wieder los geht, wird die Maschine des Vorausplanens langsam wieder anlaufen.

Vielleicht ist das mit dem Urlaub auch deswegen so schwierig, weil hier natürlich auch einige Dinge erledigt werden müssen und sollen, die man während der Arbeitszeit vor sich hergeschoben hat. Dabei ist es nicht so, dass meine Liebste und ich keine Freizeit hätten. Der Unterschied ist durchaus spürbar. Der gedankliche Abstand ist das Problem, und dagegen habe ich noch nicht das geeignete Mittel gefunden. Ich weiß nur eins: Ein sogenannter Aktivurlaub ist es nicht.


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