Urheberrechts-Debatte: Freiheitskämpfer unter sich

Mittlerweile wird es unübersichtlich, es gibt inzwischen eine ganze Reihe “Wir-sind-aber-auch-Urheber“-Kampagnen, die versuchen, weniger peinlich zu sein, als die bekennenden bürgerlich-freiheitlichen Künstler . Dann gibt es aber auch Anti-Kampagnen der ganz plumpen Art, die im Grunde noch peinlicher sind. Trotzdem ist bezeichnend, dass diese, meines Erachtens tatsächlich wenig gelungenen, Versuche aus dem Anonymus-Umfeld, den eigenen Standpunkt zum Urheberrecht bzw. zum Filesharing mit zweifelhaften Aktionen zu untermauern – etwa durch den Hack der Kampagnenseite und die Veröffentlichung von Adressdaten der Unterzeichner des Pro-Urheberrechtsaufrufes – von der bürgerlichen Presse in die Nähe krimineller oder gar terroristischer Akte gerückt werden. Die Unterzeichner des Appells “Wir sind die Urheber” sollten bedroht und eingeschüchtert werden, mit Methoden, wie man sie aus totalitären Staaten kenne, schreibt beispielsweise die FAZ. Die Welt spricht in diesem Zusammenhang von Stalking.

Mit diesen bemerkenswerten Beiträgen zur Meinungsfreiheit sollen die selbsternannten Freiheitshelden als Feinde der Freiheit entlarvt werden. Davon mal abgesehen, dass das ganze Anonymous-Piraten-freies-Internet-Umfeld tatsächlichen eine ziemlich naive Vorstellung von Freiheit zu haben scheint, und sich vermutlich keiner dort klar macht, was denn die Freiheit eigentlich sein soll, die da doch ständig gefordert wird, ist der Freiheitsbegriff für die andere Seite klar: Hier geht es natürlich um die Freiheit des Urhebers, oder vielmehr seiner Verwerter, für seine Werke Geld zu verlangen. DAS ist nämlich die echte, wahre und eigentliche Freiheit.

Und die wird durch die ganze Kostenlos-Kopier-Praxis im Internet tatsächlich bedroht. Aber das kann man natürlich auch gut finden, wenn man nicht gerade versucht, seinen Lebensunterhalt mit derartigen Bezahl-Inhalten zu verdienen. Über diesen Widerspruch lohnt es sich wirklich nachzudenken, und zwar sowohl auf Urheber- als auch auf Freibeuter-Seite. Da könnte man drauf kommen, dass Freiheit an sich erstmal gar nichts besonders Tolles ist. Denn der Freiheit wegen sind die einen dazu gezwungen, ihre Produkte zu verkaufen, während die anderen angesichts knapper Mittel ihr Geld lieber für Wohnen, Essen und den Internetzugang (hier zeigt sich schon, dass der Mythos vom kostenlosen Internet eben nicht unbedingt Realität ist) als für Musikalben oder Zeitschriften ausgeben. Auch wenn sie trotzdem gern Musik hören oder interessante Artikel lesen, die sie sich dann halt anders verschaffen als durch den legalen Kaufakt.

In einem weniger freiheitsversessenen System könnte man darüber nachdenken, wie man die Bedürfnisse nach wohnen, essen und sinnvollen Inhalten mit dem Bedürfnis, seine Schaffenskraft auszuleben, in Einklang bringt und den scheinbaren Widerspruch praktisch und sozialverträglich löst: Wie schön wäre es für den Künstler, frei von dem Druck, mit seiner Kunst Geld verdienen zu müssen, Kunst schaffen zu können! Wie schön wäre es für alle anderen, zu dieser Kunst freien Zugang zu haben! Das wäre schon machbar – aber eben nicht mit der Durchsetzung des freiheitlich wertvollen Urheberrechts, sondern mit dessen Abschaffung. Und ein paar andere Dinge müssten auch abgeschafft werden – vor allem die Freiheit, mit der alle zum Geld verdienen verpflichtet werden.

In einer Presse-Erklärung stellt das Anonymous-Kollektiv übrigens klar, dass die Daten keineswegs auf kriminellem Wege beschafft, sondern lediglich aus frei zugänglichen Quellen zusammengestellt wurden. Man kann eine solche Fleißarbeit zwar ärgerlich finden – aber noch ist kein Mensch auf die Idee gekommen, den Druck und die Verbreitung von Telefonbüchern zu verbieten, weil die darin verzeichneten Personen möglicherweise irgendwann einmal bedroht oder gar Opfer eines Verbrechens werden könnten. In der Logik wäre die Deutsche Telekom Medien GmbH und ihre Partnerverlage ja irgendwie auch eine kriminelle Vereinigung.



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