URGENT ACTION: Gefahr der Hinrichtung

Meldungen in den ira­ni­schen Medien von Ende Dezember 2011 las­sen erneut befürch­ten, dass die zum Tod ver­ur­teilte Sakineh Mohammadi Ashtiani schon bald durch den Strang – nicht durch Steinigung – hin­ge­rich­tet wer­den könnte.

URGENT ACTION: Gefahr der HinrichtungSakineh Mohammadi Ashtiani, 44 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern, stammt aus der im Nordwesten Irans gele­ge­nen Provinz Ost-Aserbaidschan. Sie war im Jahr 2005 fest­ge­nom­men wor­den, nach­dem ihr Ehemann ermor­det wor­den war. Ein Gericht hatte Sakineh Mohammadi Ashtiani in einem unfai­ren Prozess des „Ehebruchs“ und in einem wei­te­ren Verfahren der Mittäterschaft an dem Mord an ihrem Ehemann schul­dig gespro­chen. Wegen des Tatvorwurfs der Mittäterschaft war sie zu zehn Jahren Freiheitsentzug ver­ur­teilt wor­den, ein Strafmaß, das spä­ter mög­li­cher­weise auf fünf Jahre her­ab­ge­setzt wor­den ist und somit abge­lau­fen wäre. Der Tatbestand des „Ehebruchs“ wird in Iran mit Steinigung bestraft. Der Rechtsanwalt von Sakineh Mohammadi Ashtiani hatte im Juli 2010 eine gericht­li­che Über­prü­fung des Urteils der Steinigung bean­tragt. Ob sei­nem Antrag statt­ge­ge­ben wor­den ist, ent­zieht sich der Kenntnis von Amnesty International. Sollte Sakineh Mohammadi Ashtiani allein wegen ein­ver­nehm­li­cher sexu­el­ler Beziehungen in Haft gehal­ten wer­den, würde Amnesty International sie als gewalt­lose poli­ti­sche Gefangene betrach­ten und sich für ihre unver­züg­li­che und bedin­gungs­lose Freilassung ein­set­zen.

Sakineh Mohammadi Ashtiani wird der­zeit in Ost-Aserbaidschan in der Strafvollzugseinrichtung in Täbris in Haft gehal­ten. Sie hat kei­nen Rechtsbestand, da ihr Anwalt sei­ner­seits inhaf­tiert wurde und ihm die Anwaltslizenz ent­zo­gen wor­den ist. Nach einer Meldung der mit offi­zi­el­ler Genehmigung täti­gen Iranischen Studentischen Nachrichtenagentur ISNA vom 25. November 2011 hat der Leiter der Justizbehörden der Provinz Ost-Aserbaidschan mit­ge­teilt, dass „isla­mi­sche Sachverständige den Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani dar­auf­hin über­prü­fen, ob sie durch den Strang hin­ge­rich­tet wer­den kann. Später ließ er ver­lau­ten, er sei „falsch zitiert“ wor­den, ohne aller­dings klar­zu­stel­len, mit wel­chen Worten er sich tat­säch­lich geäu­ßert hatte. Die Möglichkeit, Hinrichtungen durch den Strang vor­zu­neh­men, war in Kreisen der Justiz schon frü­her in ande­ren Fällen dis­ku­tiert wor­den. Amnesty International befürch­tet, die Meldung der ISNA könne ein Anzeichen dafür sein, dass erneut mit der Hinrichtung von Sakineh Mohammadi Ashtiani gerech­net wer­den muss.

EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich for­dere Sie auf, Sakineh Mohammadi Ashtiani kei­nes­falls hin­zu­rich­ten und das wegen „Ehebruchs“ gegen sie ver­hängte Urteil der Steinigung umzu­wan­deln.
  • Ich bitte um nähere Angaben zu den Gründen und der Höhe der gegen Sakineh Mohammadi Ashtiani ver­häng­ten Gefängnisstrafe.
  • Sollte sich Sakineh Mohammadi Ashtiani allein wegen ein­ver­nehm­li­cher sexu­el­ler Handlungen in Haft befin­den, würde Amnesty International sie als gewalt­lose poli­ti­sche Gefangene betrach­ten und sich für ihre unver­züg­li­che und bedin­gungs­lose Freilassung ein­set­zen.
  • Ich appel­liere an Sie, ein­ver­nehm­li­che sexu­elle Handlungen zwi­schen Erwachsenen nicht wei­ter­hin als Straftat zu ver­fol­gen.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed ‘Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader, Islamic Republic Street – End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran,
IRAN
(kor­rekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: [email protected]
Twitter: @khamenei_ir (bitte #Iran in die Nachricht ein­fü­gen. Die Nachricht darf nicht län­ger als 140 Zeichen sein, inklu­sive Leerzeichen und Interpunktion)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(care of) Public rela­ti­ons Office
Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., above Pasteur Street inter­sec­tion
Tehran, IRAN
(kor­rekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: [email protected] (Betreffzeile: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)

KOPIEN AN
LEITER DER IRANISCHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
His Excellency Mohammad Javad Larijani
Hugh Council for Human Rights
Office of the Head of the Judiciary,
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737
IRAN
E-Mail: [email protected] (Betreffzeile: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: [email protected] oder [email protected]

Bitte schrei­ben Sie Ihre Appelle mög­lichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität ver­lie­ren kön­nen, bit­ten wir Sie, nach dem 17. Februar 2012 keine Appelle mehr zu ver­schi­cken.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Sakineh Mohammadi Ashtiani war zunächst des Mordes ange­klagt wor­den, doch hat­ten ihre Kinder von dem ihnen nach ira­ni­schen Gesetzen zuste­hen­den Recht ver­zich­tet, auf der Anklage wegen Mordes zu beste­hen. Stattdessen wurde Sakineh Mohammadi Ashtiani nach einem ande­ren Paragraphen des ira­ni­schen Strafgesetzbuches der Tötung für schul­dig befun­den und zu zehn Jahren Freiheitsentzug ver­ur­teilt. Ihr Anwalt erklärte gegen­über Amnesty International, dass der Oberste Gerichtshof des Iran spä­ter auf „Mittäterschaft“ erkannt und die Strafe auf fünf Jahre her­ab­ge­setzt habe. Doch bevor der Rechtsanwalt die rele­van­ten Akten, die sei­nen Angaben zufolge im August 2010 von den Behörden beschlag­nahmt wor­den waren, vor­le­gen konnte, wurde er selbst fest­ge­nom­men.

Anfang Juli 2010 erba­ten Justizangestellte in Täbris bei der Obersten Justizautorität des Iran unter Verweis auf einige ver­gleich­bare Fälle aus frü­he­ren Jahren die Genehmigung, Sakineh Mohammadi Ashtiani durch den Strang und nicht durch Steinigung hin­zu­rich­ten. Der Vorsitzende des Menschenrechtsrats der Justiz (High Council for Human Rights of the Judiciary – HCHR) gab dar­auf­hin am 10. Juli 2010 bekannt, der Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani werde über­prüft. Zugleich wies er jedoch dar­auf hin, dass nach ira­ni­schem Recht der Vollzug von Todesurteilen durch Steinigung erlaubt ist. Einen Tag spä­ter erklärte der Leiter der Justizbehörden in der Provinz Ost-Aserbaidschan, das gegen Sakineh Mohammadi Ashtiani wegen „Ehebruch und Mordes“ ver­hängte Todesurteil habe wei­ter­hin Bestand und könne auf Weisung der Obersten Justizautorität jeder­zeit voll­streckt wer­den. Javid Houlan Kiyan, der Verteidiger von Sakineh Mohammadi Ashtiani, bean­tragte eben­falls im Juli 2010 beim Obersten Gerichtshof eine außer­or­dent­li­che Über­prü­fung des Falles sei­ner Mandantin. Ob dem Antrag statt­ge­ge­ben und eine Über­prü­fung vor­ge­nom­men wor­den ist, ent­zieht sich der Kenntnis von Amnesty International.

Der Fall von Sakineh Mohammadi Ashtiani wurde im Juli 2010 weit über die Grenzen des Iran hin­aus bekannt. Einer ihrer Verteidiger flüch­tete aus dem Iran, ihr Sohn wurde ver­haf­tet. Darüber hin­aus nah­men die Behörden Javid Houlan Kiyan fest und hiel­ten ihn im Zusammenhang mit sei­ner anwalt­li­chen Tätigkeit zuguns­ten von Sakineh Mohammadi Ashtiani im Gefängnis von Täbris in Haft. Seine Festnahme und die des Sohnes von Sakineh Mohammadi Ashtiani war am 10. Oktober 2010 zusam­men mit der Verhaftung von zwei deut­schen Journalisten erfolgt, die mitt­ler­weile alle wie­der frei­ge­las­sen wor­den sind. Ein von Javid Houlan Kiyan im März 2011 in staat­li­chem Gewahrsam ver­fass­ter Brief lässt ver­mu­ten, dass er wäh­rend sei­ner Einzelhaft vom 11. Oktober bis 12. Dezember 2010 in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses gefol­tert wor­den ist. Die letz­ten Informationen über seine recht­li­che Situation datie­ren vom 1. November 2010, als ein Staatsanwalt bekannt gab, Javid Houlan Kiyan werde unter dem Verdacht des Besitzes von drei gefälsch­ten oder dub­li­zier­ten Ausweispapieren in Haft gehal­ten. Seitdem haben die ira­ni­schen Behörden kei­ner­lei Angaben mehr zu sei­nem recht­li­chen Status ver­öf­fent­licht. Aus ande­ren Quellen ver­lau­tete, Javid Houlan Kiyan sei ver­schie­de­ner Anklagepunkte schul­dig gespro­chen und zu min­des­tens vier Jahren Freiheitsentzug ver­ur­teilt wor­den. Möglicherweise seien noch wei­tere Anklagen gegen ihn anhän­gig. Die meis­ten, wenn nicht sogar alle gegen Javid Houlan Kiyan erho­be­nen Anklagen schei­nen auf seine anwalt­li­che Tätigkeit zuguns­ten von Sakineh Mohammadi Ashtiani zurück­zu­füh­ren zu sein. Er selbst ist der­zeit nicht durch einen Anwalt ver­tre­ten, da sein Verteidiger Naghi Mahmoudi den Iran ver­las­sen hat, nach­dem er dort schi­ka­niert und ver­folgt wor­den ist. Naghi Mahmoudi hat bestä­tigt, dass Javid Houlan Kiyan Zähne aus­ge­schla­gen wor­den sind, dass er einen Bruch der Nasenknochen erlit­ten hat, ihm Verbrennungen mit Zigaretten zuge­fügt wor­den sind und er erheb­lich an Gewicht ver­lo­ren hat.

Der Rechtsanwalt Mohammad Mostafaei, der eben­falls zuguns­ten von Sakineh Mohammadi Ashtiani tätig gewor­den war, brachte sich im Juli 2010 durch Flucht im Ausland in Sicherheit, nach­dem die ira­ni­schen Behörden ihn zum Verhör vor­ge­la­den hat­ten. Seine Ehefrau und sein Schwager wur­den fest­ge­nom­men, um Mohammad Mostafaei auf diese Weise zu zwin­gen, sich den Behörden zu stel­len. Mittlerweile ist er in Abwesenheit der „Propaganda gegen das System“ und der „Gefährdung der Sicherheit des Staates durch Erörterung des Falls Sakineh Mohammadi Ashtiani mit aus­län­di­schen Medien“ schul­dig gespro­chen und zu sechs Jahren Freiheitsentzug ver­ur­teilt wor­den.

Der wegen „Ehebruch“ zum Tod ver­ur­teilte Abdollah Farivar Moghaddam wurde im Februar 2009 durch den Strang hin­ge­rich­tet. Ursprünglich war er zum Tod durch Steinigung ver­ur­teilt, die Hinrichtungsmethode aber spä­ter geän­dert wor­den (siehe UA-50/2009-1).

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian aut­ho­ri­ties not exe­cute Sakineh Mohammadi Ashtiani by any means, and to over­turn her sto­n­ing sen­tence for „adul­tery while mar­ried“;
  • Seeking cla­ri­fi­ca­tion about the basis and length of Sakineh Mohammadi Ashtiani’s pri­son sen­tence;
  • Noting that if she is now held solely for con­sen­sual sexual rela­ti­ons, Amnesty International would con­sider her a pri­so­ner of con­sci­ence and call for her to be released imme­dia­tely and uncon­di­tio­nally;
  • Calling on the aut­ho­ri­ties to decri­mi­na­lize con­sen­sual sexual rela­ti­ons bet­ween adults.

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