Urban Exploring: Die Schönheit des Verfalls

Urban Exploring wird in Deutschland zunehmend populärer. Die Schönheit des Verfalls ist es, was „Urban Explorer“ reizt. Weltweit sind sie aktiv, um den Verfall von Gebäuden fotografisch zu dokumentieren. Ganz legal ist dies meist nicht. GEEKIMPACT hat einen Anhänger des Hobbys auf einer seiner Touren begleitet.

Fühlte es sich draußen im Wald noch an wie ein angenehmer Frühlingstag, ist es drinnen als befände man sich in einer anderen Welt. Die Luft schmeckt modrig und schnürt den Hals zu. Das Atmen fällt schwer. Das Licht, das lediglich durch die Löcher in der Wand einfällt, macht es schwierig die Umwelt genau wahrzunehmen. Es ist still. Wasser tropft durch die Löcher in der Decke, um dann auf dem staubigen Boden aufzuprallen. Vom ehemaligen entspannenden Flair des Gebäudes ist nicht mehr viel übrig.

Dominik steht in einem ehemaligen Saunapark in Nordrhein-Westfalen. Der Gebäudekomplex liegt inmitten an einem Wald angrenzendem Dorf. Fremde Menschen trifft man auf der Straße eher selten. Und auch Autos sind der Ausnahmefall. Das Klicken der Kamera schallt noch lange nach. Es ist als suche es sich einen Weg aus dem zerfallenden Gebäude. Der 26-jährige Anlagentechniker betreibt in seiner Freizeit “Urban Exploring”. Er hat es sich zum Hobby gemacht, in verlassene Gebäude einzudringen und den Verfall fotografisch zu dokumentieren. Das Hobby stammt ursprünglich aus den USA, wird aber auch in Deutschland zunehmend populärer.

„Nimm nichts mit außer Fotos. Lass nichts zurück außer Fußabdrücken“.

Fast jedes Wochenende erkundet er, mit seiner Kamera, einem Stativ und einer Taschenlampe ausgerüstet, verfallene Gebäude. Dabei hat er von Hotels, über Botschaften bis hin zu einem Schlachthof schon so einiges gesehen. „Es ist ziemlich spannend, da kein Gebäude, wie das andere ist und jedes Gebäude auch mit einer neuen Geschichte verbunden ist“, erklärt er. In Welten einzutauchen, die für die Öffentlichkeit unzugänglich sind, ist für viele Urban Explorer der Antrieb. Ihr Kodex lautet: „Nimm nichts mit außer Fotos. Lass nichts zurück außer Fußabdrücken“.

Dominik klappt sein Stativ zusammen und wirft sich seine Kamera über die Schulter. Inmitten von alten Umkleidekabinen und Duschräumen steht eine alte Registrierkasse. Vergessene Zeichen des einst regen Betriebs des Gebäudes, das weit über die Bonner Grenzen bis nach Köln bekannt war. Doch schon 10 Jahre nach Eröffnung musste der Betrieb die Pforten schließen. Kurzzeitig wurde es noch als Bar und Bordell betrieben, bevor es endgültig verfiel. Seitdem gilt es als Schandfleck und Problemfall. Zu verfallen, um es noch zu nutzen, zu teuer, um es einfach abzureißen. Außer als Motiv für Urban Explorer, Behausung für Obdachlose und Goldgrube für Schrottdiebe ist es nutzlos geworden.

Die Gemeinschaft ist verschwiegen, wenn es um Locations geht

Genau solche Objekte suchen Urban Explorer. Durch Massenmedien und soziale Netzwerke schießen Seiten, die sich mit dem Hobby betreiben, wie Pilze aus dem Boden. “Ich wollte meine Arbeit mit der Öffentlichkeit teilen. Dahinter stecken viele Stunden Bildbearbeitung, viele lange und manchmal sogar gefährliche Touren“, so Giacomo Zucca, Seitenbetreiber von www.einsturzgefahr.com. Auch er teilt seine Fotos mit der Öffentlichkeit. Ansonsten ist die Gemeinschaft eher verschwiegen und verrät nur ungern die Koordinaten und Adressen der Locations. Zu groß ist die Gefahr, dass eine Location durch Vandalismus zerstört wird. Hinzu kommt, dass bei einem widerrechtlichen Eindringen oder Verweilen in fremde Grundstücke oder Gebäude  grundsätzlich der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt ist. Hiervon umfasst ist jedes „befriedete Besitztum“, also alle in äußerlich erkennbarer Weise gegen Betreten gesicherte, bebaute oder unbebaute Grundstücke (§ 123 des Strafgesetzbuches). Mithin auch auf Dauer leerstehende Gebäude. Auch wenn es immer vom konkreten Einzelfall abhängt, ob das Betreten einer, nicht gegen fremdes Eindringen gesicherten Ruine, bereits den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, kann ein solcher laut Gesetz mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden.

Während Dominik sich umsieht und eine gute Position für seine Kamera sucht, ertönen Schritte. Die Schritte werden lauter und immer schneller. Er schaut den langen Gang entlang, direkt am Wandfresko vorbei, das er fotografieren wollte. Doch er sieht niemanden. Schlussendlich kann er die Schritte über sich lokalisieren. „Das ist wahrscheinlich ein Marder oder eine Ratte“, rätselt der Anlagentechniker, während er die von Schrottdieben auseinandergerupfte Decke begutachtet. Er schraubt ein Weitwinkel-Objektiv auf seine Kamera und fotografiert das Fresko an der Wand. Der Kontrast zwischen Zerfall und Schönheit ist es, was die Gemeinschaft so reizt.

Philibert Aspairt: Urahn des Urban Exploring

Als Urahn der Urban Explorer gilt der Franzose Philibert Aspairt. Er verirrte sich im November 1793 in den Pariser Katakomben. Elf Jahre später fand man seine Leiche, die man nur dank der Schlüssel, die er bei sich trug, identifizieren konnte. Im April 1804 wurde Aspairt an der Stelle an der er gefunden wurde, 50 Meter von einem Ausgang entfernt, begraben. Ein Grabstein inmitten der Katakomben unter Paris erinnert noch heute an ihn.

Auf der Suche nach einem weiteren Motiv kommt Dominik an einem ausgedienten Herd vorbei. Auf den Platten des Herdes sind verschiedene Gesteine und eine Kerze, an der eine Seite aus der Bibel lehnt, aufgestapelt. „Man versucht sich immer eine Geschichte um den Ort zu stricken und fragt sich wie solche Gegenstände hierhinkommen“, rätselt Dominik, während er einen weiteren Raum betritt. Der Boden ist durchnässt und Schimmel liegt in der Luft. Gerade als Dominik den scheinbar undichten Whirlpool fotografieren möchte ertönt ein lauter Knall. „War das ein Schuss?“, fragt er und schaut sich um. Schnell packt er seine Sachen zusammen und geht Richtung Ausgang. „Wahrscheinlich war es nur ein Jäger im angrenzenden Wald, aber man weiß ja nie“, sagt er, ehe er das Gelände genauso verlässt, wie er es betreten hat. Nur mit seiner Kamera, dem Stativ und einer Taschenlampe ausgerüstet. Doch mit einigen weiteren Aufnahmen von der Schönheit des Verfalls reicher.

von Patrick Büttgen


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