Demzufolge stammte nicht nur der entscheidende Hinweis auf den genauen Aufenthaltsort des früheren Machthabers von einem Geheimdienst. Das Nato-Militär soll zudem den Konvoi, in dem Gaddafi versuchte aus Sirte zu fliehen, mehrfach angegriffen und die gesamte Operation aus der Luft beobachtet haben.
Bestätigen sich diese Informationen, dann stellt sich erneut die Frage, inwieweit das Vorgehen der Nato-Verbände durch die UN-Resolution 1973 vom 17. März 2011 gedeckt ist.
Geheimdienste und Nato unterstützen die Rebellen
Am Abend des 19. Oktobers, so berichtet der Spiegel, habe Gaddafi von seinem Versteck aus mit einem Satellitentelefon telefoniert. Das Gespräch wurde von Geheimdiensten abgefangen, das Telefon wurde geortet. Die Daten wurden im Anschluss an eine Einheit der Rebellen in Misurata weitergeleitet, um diesen zu ermöglichen, Gaddafi in Sirte aufzuspüren.
Zu diesem Zeitpunkt lösten sich rund 20 Fahrzeuge aus dem Konvoi und bewegten sich in südliche Richtung. Dieser Konvoi wurde nun wiederum von Nato-Verbänden aus der Luft angegriffen und zum Stehen gebracht. In unmittelbarer Nähe wurde Gaddafi von den Rebellen kurze Zeit später aus einem Abwasserrohr gezerrt und in der Folge getötet.
In ihrer Erklärung betont die Nato, sie habe zum Zeitpunkt des Luftangriffes nicht gewusst, dass sich Gaddafi in dem Konvoi befand.
UN-Resolution 1973: Waffenstillstand, Schutz der Zivilbevölkerung, Flugverbot
Der Krieg in Libyen und hierbei insbesondere die Rolle der westlichen Verbände, stützt sich auf die UN-Resolution 1973 vom 17. März 2011. Die Resolution enthält im Wesentlichen drei Punkte: Sie fordert einen sofortigen Waffenstillstand in Libyen, sie setzt sich für eine Intensivierung der Anstrengungen, den legitimen Forderungen des libyschen Volkes Rechnung zu tragen ein und ermächtigt die westlichen Verbände zur Einrichtung und Kontrolle einer Flugverbotszone über Libyen und zur Ergreifung aller notwendigen Maßnahmen zum Schutz der zivilen Bevölkerung.
Die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats vom 17. März, die den Weg zur militärischen Intervention in Libyen freigab, und Maß und Ziel dieser Intervention selbst überschreiten die Grenzen des Rechts. Nicht einfach nur die Grenzen positiver Normen – das geschieht im Völkerrecht oft und gehört zum Motor seiner Entwicklung. Sondern die seiner Fundamente: der Prinzipien, auf denen jedes Recht zwischen den Staaten beruht.
Stellt sich jetzt heraus, dass sich die Nato, über das bereits höchst umstrittene Eingreifen in den libyschen Bürgerkrieg, aktiv an der Tötung von Gaddafi beteiligt hat, statt sich dafür einzusetzen, dass er vor ein ordentliches Gericht gestellt wird, dann beschädigt dies nicht nur die Glaubwürdigkeit der Nato sondern ebenso das hohe Ansehen der internationalen Rechtsgüter der Vereinten Nationen.
Die Nato bestreitet, davon gewusst zu haben, dass sich Gaddafi in dem Konvoi befand, den die Truppen gestern angegriffen haben. Dass die Geheimdienste jedoch die Rebellen in Misurata mit Informationen versorgt haben sollen, ohne gleichzeitig die Nato einzubeziehen, erscheint unglaubwürdig.
Vergleiche hierzu: Jacob Jung – Zum Tod von Muammar al-Gaddafi: Die Tötungskultur des Westens