Unverhofft kommt oft

Ich bin wieder zurück. Ich kann nicht berichten, was mit Dr. Ungut geschehen ist. Noch nicht. Ich muss warten, bis sie ihn wieder aus Mexiko rauslassen. Und das kann dauern. So ohne Visum. Oder Pass. Und ohne Kreditkarten. Und Geld. Und Kleidung. Aber wie gesagt, dazu komme ich ein andermal. Wenn es verjährt ist…

Kaum war ich zu Hause, klingelte es mal wieder an der Tür. Ich sollte es ja wirklich langsam besser wissen und einfach mal nicht mehr aufmachen. Vor der Tür stand Rambo. Mit der einen Hand hielt er Ivan ungelenk am Nacken. In der anderen Hand trug er zu meiner Beunruhigung ein Katzenklo, in welchem sich übereinander gestapelt Dinge befanden, die man für gewöhnlich mit einem längeren Besuch einer Katze assoziiert. Ivan sah grauenhaft aus. An einigen Stellen war sein Fell wieder nachgewachsen, aber an den meisten eigentlich noch nicht. Sein Anblick ließ mich an den atomaren Super-GAU und die Folgen für Mensch und Natur denken.
“Ja?” fragte ich vorsichtig. Rambo sah etwas zerknautscht aus. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen und einen unvorteilhaften Drei-Tage-Bad.
“Hier.” sagte er tonlos und streckte mir Ivan entgegen.
“Was soll ich damit?” fragte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.
Rambo hielt mir Ivan noch immer ausgestreckt hin. Schließlich drückte er ihn mir einfach in den Arm, woraufhin Ivan sich aufgeregt miauend festkrallte. Unter ein paar wilden Flüchen zerrte ich Ivans Klauen aus meinem Arm und versuchte, ihn in eine halbwegs erträgliche Position zu bringen, was allerdings gründlich misslang. Er krallte sich geradezu verzweifelt an mir fest.
“Was ist denn jetzt los?” fragte ich Rambo leicht ärgerlich, während ich weiterhin mit Ivans Krallen kämpfte.
“Meine Freundin… sie ist weg. Ist mit so einem anderen Kerl durchgebrannt. Die blöde Schlampe.” Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht war. “Das scheiß Vieh war von Anfang an ihre Idee. Hat sich eh nie mit Harry vertragen.”
“Harry?”
“Der Hund.” sagte er mit einer abwehrenden Handbewegung.  ”Jedenfalls ist sie jetzt weg, aber das hässliche Vieh hat sie hier gelassen. Ich will ihn nicht. Chichi… was ist das überhaupt für ein Name? Egal. Entweder du nimmst ihn, oder ich werfe ihn in den See.” Ivan miaute erschrocken auf und klammerte sich noch stärker an mir fest. Ich miaute auch fast, vor Schmerzen. Erneut zog ich nachdrücklich Ivans Krallen aus meiner Haut.
“Und was hab ich mit dem vermaledeiten Vieh zu tun? Dann bring ihn doch ins Tierheim! Ich habe keine Zeit, ich arbeite Vollzeit. Ich kann mich nicht um eine Katze kümmern.” Aber Rambo hatte sich bereits umgedreht und ging mit langsamen Schritten auf die Treppe zu. Die Kiste mit Ivans Habseligkeiten hatte er vor meinen Füßen abgestellt. “Bring du ihn doch ins Tierheim. Oder in den See. Ist mir doch egal.” sagte er und stieg mit gesenktem Kopf die Treppe hinab.
“Ey, warte, Rambo… scheiße.” sagte ich, als ich unten die Tür knallen hörte.

Wollt Ihr wissen, wie evil Ivan mich angesehen hat, als wir beide da allein vor meiner Wohnungstür standen?

Unverhofft kommt oft

Richtig. Wie der gestiefelte Kater in Shrek. Plötzlich machte er einen auf niedlich. Etwas unschlüssig stand ich noch immer vor der Tür herum.
“Ach, komm rein.” sagte ich schließlich und trug Ivan mitsamt seinen Habseligkeiten in die Küche. Dort setzte ich ihn auf den Küchentisch. Was besseres fiel mir nicht ein. Mit seinen dunklen Fellinseln sah er einfach lächerlich aus, aber diese großen Augen, die mich so erwartungsvoll anblickten, die ließen mich fast so was wie Mitleid empfinden. “Also, Ivan. Das sind die Regeln. Siehst du das?” ich zeigte auf meinen nun etwas löchrigen Pullover. “Das ist ein Pullover von Desigual. Der hat mehr gekostet, als was ich an einer asiatischen Hinterhof-Imbissbude für dich bekommen wurde. Also überleg dir in Zukunft gut, wo du deine Krallen einsetzt.” Ich pausierte kurz, effekthalber. Ivan saß noch immer regungslos da und sah mich an. “Außerdem: dein Klo stelle ich ins Bad. Wehe, du gehst irgendwo anders hin als dorthin. Sonst schneide ich dich auf und lege die einen A.p. an und nen PUFI, so schnell kannst du gar nicht gucken.” Ivan schien sich zu entspannen. Er versuchte gar nicht erst, weiterhin niedlich auszusehen. Ein leicht spöttischer Zug umspielte nun sein Maul. Wahrscheinlich durchschaute er meinen Bluff. “Und wenn du deine Krallen an irgendwelchen Einrichtungsgegenständen wetzt, dann ziehe ich sie dir. Und deine Zähne ziehe ich dir auch. Überleg dir mal, wie du dann aussiehst. Nackt und zahnlos.” Ivan sah mich noch immer recht ungerührt an. Schließlich spang er gelangweilt vom Tisch und steuerte direkt aufs Sofa zu. Hier sprang er rauf und rekelte sich ganz entspannt. “He!” rief ich ihm hinterher. “Von Sofa war keine Rede! Geh auf dein Klo oder sonstwohin, wenn du Ruhe brauchst!”

Er beachtete mich gar nicht. Zufrieden lag er auf meinem Platz auf der Couch und wetzte seine Krallen an einem Buch, das ich mir von einem Freund geliehen hatte. Resignierend setzte ich mich neben ihn. Ivan wohnt jetzt wohl hier.


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