Für ihn hat die liberale Gesellschaft vollkommen versagt. Das ist nicht neu. Wer sein Werk kennt, der weiß, dass Houellebecq eine unterschwellige Sehnsucht nach Ordnung und gesellschaftlicher Harmonie pflegt. Die säkulare Gesellschaft hat durch den Verlust von Religion und Gott Bezüge zur Moral verloren und Hedonismus und Egomanie zu Grundlagen gemacht, die das alte Fundament nicht auffüllen können. Neu ist jedoch, dass Houellebecq nicht mehr dem christlichen Mittelalter sehnsüchtig nachwinkt. Er lässt eine neue Ordnungskraft auftreten: Den Islam. Das ist Religionsromantik in reinster Form. Wer sie mag, bitteschön ...
Die westlichen Demokratien zermürben sich nach Deutung des Autors wie gesagt zwischen dem Hedonismus der einen und der Ausrangiertheit der anderen. Armut und Perspektivlosigkeit auf der einen Seite, satte Egomanie auf der anderen - in diesem Gefälle ist für Parteien der Mitte nach und nach kein Raum mehr. Und in seinem Buch sind es explizit diese Parteien, die sich als Volksparteien verstanden haben, die den Weg allen Irdischen gehen. Sie gehen unter und fusionieren am Ende sogar mit den neuen Mächten. Da hatten sie schon resigniert. Ihr Kampf gegen extreme Positionen war kurz und schwach. Erschöpfte sich in Ritualen, in Worthülsen. Der amtierende Präsident Hollande zum Beispiel, so beschreibt der Autor es, wurde im heißen Wahlkampf nicht mal mehr medial wahrgenommen. Er saß der Republik zwar vor, aber war faktisch nicht mehr existent.
Rituale, Worthülsen, so tun als ob, sich in Statements erschöpfen - das sind die Schlagworte einer Wirklichkeit, die sich von der Demokratie in die Postdemokratie verabschiedet hat. Und haargenau das beschreibt Houellebecq. Neofaschisten und Muslimbrüder sind nur Protagonisten, die in die Szenerie aufgenommen werden, um den Niedergang der westlichen Demokratie zwischen neoliberaler Sparpolitik und elitärer Megalomanie zu karikieren. Sie sind die Germanen, die die römische Dekadenz überrennen und das Vakuum einnehmen, in das sich Rom manövriert hat. Das hat Houellebecq letztlich abgeliefert: Ein Buch über das Schwinden. Eine Enttarnung eines Systems, dass viel von individueller Partizipation spricht, aber letztlich wenig davon bietet.
Die Medien haben aus seinem durchaus trockenen und wenig beschwingten Buch etwas ganz anderes gemacht. Charlie Hebdo hat es auch instrumentalisieren wollen. Das kommt vor. Es gibt immer welche, die Bücher falsch deuten. Alle sind sie darauf angesprungen und haben darüber gesprochen, als ob sie es gelesen hätten. Alle haben eingestimmt in den Chor. Unterwürfig. Kann sein, dass der Islam Unterwerfung verlangt und zu guter Letzt bedeutet das Wort ja auch buchstäblich dieselbe. Aber unterwürfig sind besonders auch die Jünger, die einem vormachen wollen, dass der Islam über uns hereinbricht, wie die Pest in manches mittelalterliche Dorf. Sie sind unterwürfig genug, immer nur das herauszulesen, was sie herauslesen wollen. Das ist nicht die Unterwerfung des Islam, sondern diejenige der Okzidentalen, die etwas retten wollen, was nach Houellebecq unrettbar verloren ist.
Ach so ja, langweilig ist das Buch auch noch. Der Mann hat abgebaut. Aber darum geht es ja nicht ...
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