© Paramount Pictures Germany GmbH / Seth Rogen und Barbra Streisand in “Unterwegs mit Mum”
Acht ganze Tage in einem kleinen Auto zu verbringen ist schon eine Tortur an sich. Wenn es sich dann noch um ein Mutter/Sohn-Gespann handelt, die den weiten Weg von der amerikanischen Ost- zur Westküste antreten, ist ein Generationskonflikt unweigerlich vorprogrammiert. Seth Rogen setzt in „Unterwegs mit Mum“ sein seelisches Wohlbefinden aufs Spiel, stellt sich der Rund-um-die-Uhr Belagerung durch seine Mutter, die es binnen weniger Stunden schafft ihren Sohn eine unbestimmte aber viel zu hohe Anzahl von Nachrichten auf seinem Handy zu hinterlassen. Oder aber sie präsentiert ihn ihren gackernden Freundinnen, als sei er noch der kleine zehn Jahre alte Bub, dem man mit einer ordentlichen Portion Spucke die letzten Dreckflecken aus dem Gesicht schmiert. Sie ist eben eine Mutter: Sie muss bevormunden, sie muss alles besser wissen. Mit ihren Ratschlägen hätte so viel mehr aus dem Leben ihres Sohnes werden können. All das kann ganz schön auf die Nerven gehen. Dann aber ist diese Mutter auch Barbra Streisand – und mit der geht man doch wohl gerne auf einen Road Trip.
Sie spielt Joyce Brewster, die wohl einzige Person auf der Welt, die sich bisher von der Erfindung ihres Sohns Andy (Seth Rogen) hat überzeugen lassen: Ein organisches Putzmittel, an dessen Entwicklung er lange Zeit geforscht und in das er sein gesamtes finanzielles Erbe investiert hat. Nur leider lässt sich keine Vertriebsfirma für sein Produkt finden. Doch so leicht gibt Andy nicht auf. Er begibt sich auf eine Geschäftsreise quer durchs ganze Land um sein Produkt endlich zu vermarkten. Als Begleitung packt er seine überfürsorgliche Mutter ein, nicht etwa um ihre Gesellschaft zu genießen, sondern um sie mit ihrer Jugendliebe zusammen zu führen und sie damit auf andere Gedanken zu bringen als ihn ununterbrochen zu bemuttern.
Seth Rogen und Barbra Streisand
Auf diesem Road Trip können jedoch weder Seth Rogen noch Barbra Streisand den übermäßigen Einschränkungen entkommen, die ihren Figuren durch das Drehbuch auferlegt werden. Rogen fühlt sich sichtlich unwohl in der Rolle des erfolglosen Sohns, der seiner Mutter nur vorgaukelt, ein erfolgreicher Selbstunternehmer zu sein. Immerhin bewahrt er hierdurch seine Ruhe, geht vermutlich einer ganzen Armada von Ratschlägen aus dem Weg, die ihn jedoch sowieso in anderer Form ereilen. In diesem Muster bleibt Rogen jedoch gefangen, kann weder seinen derben Humor ausspielen, den Männer wie Judd Apatow geschickt einzusetzen verstehen, noch darf er den liebenswerten Knuddelbär mimen, als der er in „50/50“ oder zuletzt in „Take This Waltz“ zu sehen war. Er bleibt eine stereotyp inszenierte Schablone, ebenso wie Streisand, die in sich all die mütterlichen Vorurteile vereint, die ein Sohnemann nur so haben kann. Damit bildet sie das negative Paradebeispiel einer überfürsorglichen Frau. Aus diesen Mustern erwächst dann jedoch keine Komik, sondern lediglich zwei Darsteller deren Auftreten hier eher wie eine Auftragsarbeit wirkt als wie ein Herzensprojekt. Umso verwunderlicher, dass Rogen und Streisand beide als ausführende Produzenten des Films auftreten.
Manches Mal versucht der Film dann auch Nähe und Dramatik zum Einsatz zu bringen. In solchen Momenten wirft Streisand ihrem Filmsohn vor sich von ihr zu distanzieren, absichtlich weit entfernt von ihr zu leben, nur um sich nicht mit ihr auseinandersetzen zu müssen. Nie würde er auf ihre Worte hören, sie sei nur eine Last für ihren Sohn. Als Zuschauer überdenkt man vielleicht noch einmal die Sicht der Dinge, wird dann aber ebenso zu der Erkenntnis gelangen, dass die Mutterrolle bis an diesen Punkt der Geschichte auch geradezu dazu eingeladen hat, sich von ihr zu distanzieren. Streisand als Schauspielerin mag immer ein Hingucker sein. Diese Mutterfigur jedoch könnte auch als böser Antagonist der Geschichte funktionieren, so sehr geht diese Frau einem nach nur wenigen Minuten auf die Nerven. Diese Person, die niemals aufhört zu reden und besserwisserisch überall einzugreifen versucht, ist zum Vermeiden geschaffen. Somit fällt das Drama von Mutter und Sohn, die sich voneinander entfremdet haben, zurück auf das Drama eines Sohnes, dessen Mutter ganz offensichtlich nicht dazu in der Lage ist, ihr eigenes Leben zu führen, ihren Sohn nun endlich loszulassen. Die überzogene Darstellung Streisands wird dem manchmal angeschlagenen ernsteren Tönen zum Verhängnis.
Barbra Streisand
Irgendwann, ganz unerwartet und ohne ersichtliche Entwicklung, kommt dann der Umschwung. Auf einmal ändern sich sowohl Mutter wie auch Sohn. Die unvermeidbare Annäherung findet statt, treibt Streisand die Tränen in die Augen, verpasst die Wirkung, dies auch bei den Zuschauern zu schaffen. Hier aber wird das Problem des Films am deutlichsten kenntlich gemacht: „Unterwegs mit Mum“ ist sich seines Genres ungewiss, spielt auf einer Linie irgendwo zwischen Drama und Komödie, ist jedoch für beide Formen zu schwach inszeniert, schafft es daher erst recht nicht, die beiden Gattungen miteinander in Einklang zu bringen. Das spiegelt sich auch in der Kombination der Darsteller wieder: Seth Rogen der Komödiant, Barbra Streisand die Dramatikerin, es will nicht zünden wenn sie sich als Mutter und Sohn in Szene setzen. Lethargisch folgt man den Episoden ihres Road Trips, von belanglosen Besuchen des Grand Canyons bis hin zu Steak-Esswettbewerben im amerikanischen Hinterland.
Nicht einmal das letzte Bild möchte Emotionen versprühen, obwohl die langsame Kamerafahrt raus aus dem Flughafenbild dann plötzlich eine ganze Schar von Müttern und Söhnen zeigt, die offenbar alle dieselbe kommunikative Basis des gezeigten Duos teilen. Klar ist: Streisand braucht mehr Schmalz, Rogen braucht mehr Witz. Der Versuch eine gemeinsame Mitte zu finden, ist deutlich gescheitert.
“Unterwegs mit Mum“
Originaltitel: The Guilt Trip
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 96 Minuten
Regie: Anne Fletcher
Darsteller: Seth Rogen, Barbra Streisand
Deutschlandstart: 18. April 2013
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