Unterlassene Hilfe – Wenn Jobcenter Kinder sanktionieren

“Kein Kind ist Schuld daran, wenn seine Eltern keine oder eine schlecht bezahlte Arbeit haben.”

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von Susan Bonath Mein Kommentar zu den hunderten Sanktionen gegen Minderjährige, die Jobcenter laut nichtöffentlicher Statistik der Bundesagentur für Arbeit monatlich aussprechen:

Unterlassene Hilfe – Wenn Jobcenter Kinder sanktionieren

Mit 15, 16 oder 17 Jahren sind Kinder keine Kinder mehr. Richtig erwachsen sind sie aber auch noch nicht. Sie wanken zwischen schulischem Leistungsdruck und lauerndem Arbeitsmarkt, zwischen Liebeskummer, null Bock auf Fremdbestimmung und Papas starkem Arm. Jugendliche aus armen Familien fassen schwerer Fuß als andere. Alle Studien der vergangenen Jahre belegen das. Ein Fünftel aller Kinder in der BRD lebt danach auf Hartz-IV-Niveau, in Ostdeutschland bis zu einem Drittel. Dem »Gesetzgeber« ist das egal. Mit »schwarzer Pädagogik« in Form von Existenzentzug, deklariert als »Rechtsfolge«, zwingt er schon minderjährige Bedürftige, die nicht einmal alleine Verträge abschließen können, zu absolutem Gehorsam gegenüber einem Amt. Ein fehlender Bewerbungsnachweis kann sie zu Bettlern auf der Straße machen.

Kein Kind ist Schuld daran, wenn seine Eltern keine oder eine schlecht bezahlte Arbeit haben. Dann sollen sie staatliche Hilfe bekommen. In Deutschland gibt es für 14- bis 18jährige derzeit 302 Euro im Monat. Diesen Satz hat die Bundesregierung als »menschenwürdiges Existenzminimum« errechnet. Das Kindergeld ist darin eingeschlossen. Es wird Mutter oder Vater als Einkommen vom eigenen Regelsatz abgezogen – auch, wenn das halberwachsene Kind nicht brav einer amtlichen Vorladung gefolgt ist und vom Jobcenter deshalb sanktioniert wurde. Ist es zweimal dessen Anweisungen und Auflagen nicht gefolgt, gibt es drei Monate lang keinen Cent mehr – kein Essen, keine Kleidung, kein Busfahren. Auch der Mietanteil fällt weg. Eltern müssen diesen aus ihrem eigenen Regelsatz ausgleichen – oder obdachlos werden. Was das bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Zum Schreiben von Bewerbungen wird solche Strafe jedenfalls nicht führen, eher zum Betteln, Flaschensammeln oder Mundraub; mithin zu völliger Verwahrlosung.

Es ist schlimm genug, dass »der Gesetzgeber« diese menschenverachtende Praxis bei erwachsenen Hartz-IV-Bezieher anwendet. Dass er ebenso mit Kindern umspringt, macht noch fassungsloser. Dass Behördenmitarbeiter für 1.500 sanktionierte Kinder jeden Monat sorgen, ohne zu widersprechen, ist – bei allem Verständnis für deren Angst vor Jobverlust – widerlich. Mit Menschenwürde hat das nichts zu tun. Mehr noch: Es ist fahrlässig unterlassene Hilfeleistung gegenüber jungen Bedürftigen ohne Einkommen. Dass es trotzdem tausendfach seit fast elf Jahren praktiziert wird, beweist nicht nur die erschreckende juristische Verfasstheit, ja Verkommenheit dieses Staates. Es ist auch ein Zeichen für den moralischen Verfall unserer kapitalistischen Gesellschaft. Regierungen, die armen Kindern, armen Familien das Existenzrecht wegen kleinster Fehler absprechen, die diese dann auch noch ausspielen gegen geflüchtete arme Menschen, offenbaren ihre neoliberale Fratze. Eine »sozialdemokratische« Familienministerin, die sich für den schönen Schein mit Kindern auf dem Schoß ablichten lässt, kann man nur verlogen nennen.

von Susan Bonath

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