Unter der Wasserdecke

Und plötzlich spült das Wasser alles fort: Die Hand, die sich zum Schlagen erhob, die Hand, die einen Fisch zerpflücken wollte, die Hand, die einem Hund leicht wie ein Windhauch über den Rücken fuhr, eine Hand, die sich um einen Hals legte, der vom Atem befreit werden sollte.
Das Wasser nähert sich tonnenschwer den luftigen Gedanken.
Das Wasser katapultiert einen Wagen über die Dächer der Stadt.
Das Wasser ist gierig. Es reißt mit seinen unzähligen Armen die Welt an sich. Es reißt jeden Notnagel, jedes Notizbuch, jedes Leben, jeden Computer, jedes Lächeln, jede Träne, jede Offenbarung, jede Hässlichkeit, jede Lüge mit sich.
Das Wasser vergräbt unter zu seinen zupackenden Händen, es legt seine Hände um die Hälse der Häuser und Straßen.
Das Wasser zischt, sprudelt, rauscht, schreit, kreischt.
Das Wasser hat keinen Auftrag, es hat kein Schicksal.
Es schenkt Schicksale.
Es überrennt die Köpfe und Betten, die Geschäfte und Ämter.
Das Wasser ist Wasser.
Das Wasser trennt sich vom Meer.
Das Wasser scheidet nicht zwischen fest und flüssig, zwischen oben und unten, zwischen gut und schlecht.
Das Wasser will sich ergießen, es will sich der Landschaft hingeben.
Es will die Geräusche betäuben.
Das Wasser rennt und schäumt und erkundet jede Fuge.
Das Wasser ist nicht neugierig.
Das Wasser folgt physikalischen Gesetzen. Es ist gesetzestreu. Ein Weltbürger, der sich für den Tod, von dem es nichts weiß, verbürgt.
Das Wasser erstickt Schreie, Gespräche, Verhöre, Verurteilungen, Bekanntmachungen, Geständnisse.
Das Wasser leckt die Landzunge.
Es will sich mit dem Landkörper vereinigen.
Der Weltkörper bebt.
Der Weltkörper schüttelt sich.
Der Weltkörper dreht sich in der Schwärze seiner Weltraumnacht auf die Seite.
Er denkt nicht über seine Wasserdecke nach, die sich nun über Häuser und Träume und Liebschaften und Morde und Totschläge und Felder und Straßen gelegt hat.
Der Weltkörper träumt seine gravitätischen Träume, die ihm schwer in der Magengrube liegen.
Der Weltkörper ist überfüttert worden. Also bäumt sich sein Körper im endlosen Schlaf.
Die Wasserdecke ist für den Mensch keine Wasserdecke.
Sie ist ihm Scheusal.
Trunkenbold mit Mordgedanken.
Die Wasserdecke nimmt ihm Freunde, Liebschaften, Feinde, Fotos, Erinnerungen.
Die Wasserdecke hat ihm für Sekunden, die ein Leben lang währen, die Luft zum Atmen genommen.



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