Seitdem die Bundesregierung nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima die 180-Grad Kehrtwende vollzogen hat, und mit dem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie die Energiewende ausgerufen hat, ist dieses Wort in aller Munde. Es wird sehr viel diskutiert in den Medien, und auch hier in diesem Blog, wird der Begriff der Energiewende immer wieder verwendet. Aber mir drängt sich immer häufiger auf, dass es völlig unterschiedliche Vorstellungen von der Energiewende gibt – immerhin gibt es keine genaue Definition der Energiewende.
Erst kürzlich hatte ich hier einen Gastbeitrag über die unterschiedlichen Ansichten zur Energiewende veröffentlicht, bei dem es um unterschiedliche Vorstellungen bezüglich der Energiewende geht. Für Mathias Gössling, wie vielen anderen auch, geht es bei der Energiewende um weit mehr als nur um den Atomausstieg, es geht um die vollständige Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Energien. Aber auch hier kann es wieder unterschiedliche Vorstellungen geben, wenn es um Offshore-Windenergie und um große, zentrale Einheiten vs. kleinteiliger Erzeuger geht.
Für die Bundesregierung und viele andere in der Energiewirtschaft geht es jedoch lediglich um den Ausstieg aus der Atomenergie und dem Ersatz dieser Kraftwerkskapazitäten. Eine zukunftsfähige Stromversorgung ist demnach nur nachrangig, zudem heute die erneuerbaren Energien noch teurer sind und für die Schwankungen von Wind und Sonne keine Lösung gefunden ist. In diesen Kreisen will man die erneuerbaren Energien in das bestehende System der Energieversorgung einpassen. Der rasante Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, zumeist auch dezentral, passt da natürlich nicht rein und wird dementsprechend jetzt immer mehr blockiert.
Ich denke, dass vor allem die Geschwindigkeit und die Dezentralität stören, da hierdurch sich die Struktur der Energieversorgung ändert und die Infrastruktur einen großen Umbau und ein Umdenken erfordert.
In das alte System der Energieversorgung passen eher die großen Offshore Windparks, die von der Leistung den konventionellen Kraftwerken am nächsten kommen. Die bis jetzt stattfindende Entwicklung ist hingegen ein radikaler Umbrauch oder gar eine Revolution, denn der Strom wird jetzt nicht mehr nur von wenigen zentralen Stellen zum Verbraucher geleitet. Es gibt jetzt viele kleine, dezentrale Kraftwerke, die teilweise sogar sehr nahe am Verbraucher sind, aber auch andere Kraftwerke, die weiter weg vom Verbraucher sind. Hier ist genauso ein Umdenken erforderlich, wie beim Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Dazu hat man bisher bei steigender Nachfrage, die Kraftwerksleistung entsprechend hochgefahren. Auch das wird bei einem dezentralen Angebot an erneuerbaren Energien komplizierter, die Nachfrage muss auch dem Angebot angepasst werden können (Stichworte Energiemanagement und Demand-Side-Management). Bei einem Überangebot an Strom muss dieser evtl. ins Ausland exportiert oder für einige Zeit gespeichert werden können. Dazu müssen wir nicht nur umdenken können, sondern auch die entsprechende Infrastruktur bereitstellen. Auch der Energiemarkt muss angepasst werden und benötigt wirtschaftliche Lösungen für den Betrieb von Reservekraftwerken und Geschäftsmodelle für gespeicherten Strom.
Ist das zuviel Aufwand oder sieht man hier gar Probleme? Dann bleiben wir lieber bei der alten Struktur der Stromversorgung, machen es wie die Bundesregierung und erschweren den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Wir können aber auch Herausforderungen sehen anstelle von Problemen. Die Industrie ist teilweise weiter und sucht Lösungen anstelle von Problemen, wie ich nach dem Besuch bei ABB schon geschrieben hatte.
Wie Sie, liebe Leser, die Energiewende sehen, ist Ihre Sache. Ich hoffe, dass ich aber weiter zur Aufklärung beitragen kann.