Unter Brüdern (Pete Dexter)

Pete Dexter wird erst langsam in Deutschland bekannt, aber es ist schön, dass der Verlag Liebeskind das nun ändert.
„Unter Brüdern“ ertsreckt sich über einen Zeitraum von 1961-1986 und beginnt mit dem 8-Jährigen Peter, der mit ansehen muss, wie seine kleine Schwester vom Nachbarn, der viel zu schnell um die Kurve kommt, überfahren wird.
Peter ist und bleibt ein sehr wortkarger, passiver Typ, der unter dem Trauma dieses Erlebnisses leidet. Und voller Hass ist gegen seinen Onkel und seinen grausamen, machtgierigen Vetter Michael, die ohne zu zögern Peters Vater geopfert haben, um die Mafia zufriedenzustellen. Die Gewerkschaft der Dachdecker in Philadelphia ist genauso korrupt wie die Polizei und genauso machtbesessen wie die Mafia, mit der sie konkurriert. Es gibt keinen Unterschied zwischen beiden. Das Leben der jungen Männer ist geprägt von Gewalt und Angstverbreitung, wobei Peter nie von sich selbst aktiv wird, aber in Michaels Gefolge alles duldet. Bis das Maß voll ist.
Das Buch setzt sich aus hunderten kleiner Szenen zusammen, die mehr oder minder mtieinander verbunden sind. Es ist kein Roman im eigentlichen Sinne, sondern mehr eine Dokumentation, der allerdings die begleitenden Worte fehlen. So erfahren wir leider nichts über das, was die beiden Floods in der Gewerkschaft tatsächlich tun. Stets nur nebenbei wird erwähnt, welche Geschäfte Michael betreibt, gezeigt werden immer nur private Unternehmungen, die stets auf dieselbe Weise enden. Man ist unterwegs, tut irgendwas, wie ein Pferd kaufen, einen Club besuchen, oder sonst irgendwas, schüchtert Leute ein, Ende der Szene.
Weder das Ambiente Philadelphias noch die unterschiedlichen Jahrzehnte sind für mich fassbar. Ich bewege mich irgendwie immer nur im Auto durch die Gegend, die wie an einer Studiorollleinwand an mir vorüberzieht und immer gleich aussieht.
Dexter ist ein großer Autor, aber diesmal ist er kein großer Szenarist. All die Intrigen, Morde, Angst und Schrecken werden immer nur angedeutet, obwohl es dem Buch an Brutalität nicht mangelt. Ich erfahre nicht, wie die Figuren leben, und eigentlich nicht mal wirklich, wie sie denken. Ob in ihrer Umgebung Menschen leben oder nicht, wer weiß.
Dass die Gewerkschaften sich strukturell nicht von der Mafia unterscheiden, wusste ich nicht, das ist das einzig Neue, was ich hier erfahre – und ich weiß aber nicht, ob alle so sind. Es ist ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem großen Ganzen, der mir hier präsentiert wird, und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wofür. Eine Veränderung, Entwicklung oder auch Scheitern gibt es nicht. Am Ende ist alles so wie vorher, nur 25 Jahre später. Wie es ausgeht, erfahren wir bereits auf S. 1. So ganz verstanden habe ich es aber nicht.


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