Spätestens seit dem G20-Gipfel letztes Jahr in Hamburg gibt es eine Debatte um das, was als „linksextreme Gewalt“ bezeichnet wird. Ganz abgesehen davon, von wem damals die Gewalt ausging, wer provozierte und wer reagierte, stellt sich die Frage, ob Gewalt generell ein Mittel zur Durchsetzung politischer Forderungen sein kann und vor allem sein darf. In seinem neuen Buch Jetzt beantwortet das französische AutorInnen-Kollektiv Unsichtbares Komitee diese Frage eindeutig mit Ja.
„Nur eine Bejahung der Gewalt ist in der Lage, das Zerstörungswerk zu vollenden. Die destituierende Geste ist also Desertion und Angriff, Erarbeitung und Plünderung, und all dies in ein und derselben Geste. Sie widersetzt sich gleichermaßen der anerkannten Logik der Alternative und des Aktivismus.“
Das Unsichtbare Komitee beklagt, dass in unserer Gesellschaft die Zeit reif sei für eine Umwälzung. Die Politik ist gescheitert, wir befinden uns auf dem Weg zum ökologischen Untergang, das Elend breitet sich aus und Menschen werden nach wie vor ausgebeutet. Doch sind die Menschen zu bequem, zu abgelenkt für Umstürze. „Alle Gründe sind gegeben, aber nicht die Gründe machen eine Revolution, sondern die Körper. Und die Körper sitzen vor den Bildschirmen.“ Da ist etwas dran. Das Angebot elektronischer Unterhaltung ist in den letzten Jahren immens gewachsen, und so wie das Angebot wuchs auch die Nachfrage. Der Bildschirm nimmt mehr und mehr einen festen Platz in unserem Alltag ein. Interessant ist die These, dass Konzerne wie Facebook oder Apple davon lebten, den Nutzern das Gefühl zu vermitteln, sie hätten über digitale Plattformen den Zugang zur ganzen Welt, während sie jedoch in Wirklichkeit immer weniger vom realen Leben um sie herum wahrnähmen, weil sie den Blick auf das Smartphone gerichtet haben.
Wohin aber soll die große Umwälzung führen? Hier ist die Rede vom Kommunismus. Nicht der Kommunismus der Autoritäten, der Bürokraten wie im „real existierenden Sozialismus“. Nein, vielmehr geht es hier um einen Kommunismus im anarchistischen Sinne. Wie man die Ziele, die nur grob angerissen werden, und den Weg, den das Unsichtbare Komitee vorschlägt, auch beurteilen mag, in jedem Fall ist Jetzt ein Text, der diskutiert werden muss, innerhalb der Linken, aber auch gesamtgesellschaftlich.
Unsichtbares Komitee
Jetzt
Aus dem Französischen von Birgit Althaler
Deutsche Erstausgabe
128 Seiten
Edition Nautilus
EUR 14,–