Unsere Unfähigkeit zu trauern und warum wir keine Trauerkultur mehr haben

Trauer ist vielleicht kein gutes Thema, um sich damit zum Jahreswechsel zu beschäftigen. Ich trauere meistens dann, wenn sich etwas verändert, wenn etwas nicht mehr da ist, ich einen Verlust erlitten habe oder jemand/etwas gegangen ist. Und das Jahr geht heute zu Ende. Also vielleicht doch ein gutes Thema? Sowohl in den Paarberatungen, aber auch in den eher berufsbezogenen Coachings erlebe ich es immer wieder, wie wenig Zeit sich die Menschen und meine Kunden nehmen, um zu trauern. Die kleinen und die großen Verluste, die das Leben so mit sich bringt. Unweigerlich. Auch wenn wir das in unserer “Höher, schneller, weiter”-Gesellschaft nicht gerne hören. Alles ist endlich. Und wo Dinge beginnen, da enden auch Dinge. Wir selbst auch, irgendwann. Und aus dieser Akzeptanz der Endlichkeit heraus, erschließt sich der Zugang zur Trauer als stärkende Kraft für das eigene Er-Leben.

Trauer bedeutet, sich auch Zeit zu lassen

Gerade in der Paarberatung erlebe ich es sehr oft, dass nach einer Trennung sehr schnell begonnen wird, sich nach einem neuen Partner um zu schauen. Aus vielerlei Gründen. Meistens aus Angst vor dem Alleinsein und oft bedingt diese schnelle Partnersuche dann auch, dass man die nicht gelernten Lektionen aus der vergangenen Partnerschaft unreflektiert in die neue Partnerschaft mit nimmt.

Meine Erfahrung mit meiner persönlichen Trauer ist die, dass jeder Verlust seine Zeit des Trauerns benötigt. Die katholische Kirche spricht nicht umsonst von einem Trauerjahr und oft braucht man den Rückzug in die eigene Höhle, die Zeit des Wunden leckens um für sich den nächsten Schritt in seinem persönlichen Wachstum zu machen. Verbunden mit den Gefühlen der Einsamkeit, des Alleinseins, der Tränen, der Wut, der Verbitterung. Das alles darf da sein, es gehört zur Trauer dazu.

Viele Menschen möchten allerdings nur den Sonnenschein und die Freude im Leben haben. Und wenn die sich nicht augenblicklich einstellt, dann verfahren die Meisten nach der Methode “mehr desselben” – die Dosis wird gesteigert. Das funktioniert aber nur bedingt: Alle Emotionen gibt es nur als Gesamtheit. Ich kann nicht Freude isoliert “buchen” und alle anderen Empfindungen wegsperren. Wenn ich eine der Empfindungen wegsperre, dann verbanne ich alle Empfindungen aus meinem Leben. So einfach ist das. Oder so schwer.

Das bedeutet also: Wenn Sie zu wirklicher Freude zurück kehren möchten, dann sollten Sie auch Ihre Trauer akzeptieren. Und willkommen heißen. Denn – das Leben geht weiter. Nach der Zeit, die es eben für die Trauer braucht. Und sowohl Freude als auch Trauer gehören zum vitalen Leben dazu. Und Sie wollen doch vital leben, oder?


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