Unsere lahmen Politikerinnen


Vorbemerkung: Die Zitate stammen zwar von österreichischen Politikerinnen, in der Analyse wird man aber bestimmt Parallelen zu Eindrücken und Erfahrungen in Deutschland ziehen können. Die frauenpolitischen Themensetzungen und die Debatte über Quoten gibt es ja in beiden Ländern….

Sieht man sich alte Zeitungsausschnitte an, wird klar, dass sich über die Jahre wenig ändert – gleich bleiben die Klagen der Politikerinnen, dass Frauen und auch sie selbst benachteiligt seien. Allerdings gibt es politische Schwerpunkte in der Regel deshalb, weil die handelnden Personen sich bestimmten Bereichen besonders intensiv widmen wollen. Nehmen sich unsere Politikerinnen nun zu viel vor oder warten sie darauf, dass andere entsprechende Rahmenbedingungen schaffen?

Unsere lahmen Politikerinnen

Da werden, meist rund um den Internationalen Frauentag im März, aber auch zwischendurch, Quoten diskutiert und eingefordert, in der Politik wie in Aufsichtsräten; der Equal Pay Day bietet ebenfalls Anlass für Kritik. Je nach Publikation werden PolitikerInnen “mutig” bis “wütend” dargestellt. Interessant wird es, wenn man sich Artikel in einer Zeitung über mehrere Jahre ansieht, etwa die Rubrik “Der direkte Draht ins Parlament” von Gertrude Aubauer in der “Kronen Zeitung”.

Am 11.10.2009 gab es den Titel “Im Quoten-Dilemma”, am 28.2.2010 wurde gefragt “Schreckt die Politik Frauen ab?” und am 6.3.2011 gab es “Ein Zeugnis für Männer”. Alles in allem zeigen die Zitate der Politikerinnen in erster Linie, dass sie sich irgendwie durchlavieren und dann darüber wundern, nicht recht ernstgenommen zu werden. Natürlich kombiniert mit forschen Ansagen, die scheinbar weibliche Tatkraft signalisieren, aber sofort mit anderen Sätzen abgeschwächt werden (bedeutet: nehmt uns nicht ernst – und dann wundern sie sich, wenn “die Männerwelt” entsprechend reagiert).

“Die Männer fürchten die Frauen-Quote wie der Teufel das Weihwasser. Denn jede Frau, die kommt, verdrängt einen Mann”, sagt etwa SPÖ-Frauensprecherin Gisela Wurm. Falsch gedacht, denn die durchschnittliche Harmlosigkeit von Politikerinnen (von Ausnahmen abgesehen) macht sie zur Manövriermasse bei internen Machtkämpfen. Außerdem nimmt nur eine verpflichtende Quote Männern Listenplätze weg, und die lässt sich dann schwer durchsetzen, wenn es viele Wahlkreise gibt.

Gerne Quotenfrau ist wiederum Judith Schwentner von den Grünen, die auch direkt gesucht wurde – ein Verfahren, das die Partei(männer) auch früher anwendeten, um eigenständige Frauen aus den eigenen Reihen zu übergehen. Schwentner ist stolz darauf, dass sie in der Steiermark gleich auf dem zweiten Listenplatz stand – “das Mittel wirkt”, sagt sie. Martina Schenk, vor vier Jahren noch beim BZÖ, heute beim Team Stronach, lehnt Quoten im Parlament ab, auch wenn es “für Frauen schwer ist, sich durch Leistung zu behaupten”.

Vielleicht typisch, dass sie meint, Haider habe sie einst für Politik begeistert. Offenbar findet sie gerecht, dass sich Frauen mehr ins Zeug legen müssen, also “weit härter arbeiten als viele Männer”, denn “eine gute Frau stellt eine Gefahr für Männer dar und bekommt dies auch zu spüren”. Ähnlich denkt Carmen Gartelgruber, heute wie 2009 bei der FPÖ, die “durch Kompetenz” in den Nationalrat kam. Positiv steht hingegen Dorothea Schittenhelm von der ÖVP zu Quoten, meint aber, es sei besser, einfach die Hälfte der Mandate zu fordern.

Alles nur faule Ausreden?

Die “Krone” unterstellt Gisela Wurm, jemals für mehr Frauen in der Politik “gekämpft” zu haben, und das auch noch gemeinsam mit Johanna Dohnal (hinter der sich Sozialdemokratinnen so gerne verstecken). Sie wird zitiert mit: “Frauen, die sich für Frauen einsetzen, werden oft mit ‘Liebesentzug’ der Parteifreunde bestraft. Im Klartext: Sie bekommen kein Mandat mehr.” Deshalb wären  auch verpflichtenden Frauenquoten “hilfreich”.

Die “Liebesentzug”-Ausrede habe ich schon oft von Frauen gehört, allerdings ohne Anführungszeichen. Sie ist stets nur eine Ausflucht davor, sich selbst auf die Füsse zu stellen, und negiert vollkommen, dass auch Männer riskieren, für Eigenständigkeit “abgestraft” zu werden. In der Regel wird “Einsatz für Frauen” von Parteien als eher harmloses Engagement betrachtet, als Spielwiese, auf der sich Politikerinnen tummeln können, ohne den Machtspielen der Herren ins Gehege zu kommen.

Es ist allerdings bezeichnend, dass Frauen einen Begriff wie “Liebesentzug” überhaupt verwenden, denn die Situation hat mit “Liebe” nicht das Geringste zu tun, wohl aber mit Macht. Um die kämpft eine Frau eben nicht, sondern soll den bequemen Weg beschreiten und warten, bis ein paar Brosamen davon für sie abfallen. Die Wortwahl zeigt, dass alles über Männer definiert wird, und Frauen als von diesen abhängige Subjekte wahrgenommen werden.

Fragt sich natürlich, was Frauen unter “Liebe” verstehen, die Männer als überlegen betrachten, als das Geschlecht, das anderen etwas gewähren kann. Das Frauen- und Männerbild der meisten Politikerinnen ist reichlich altbacken und orientiert sich an weiblicher Passivität, männlicher Aktivität. Allerdings werden sehr wohl Forderungen an Männer gestellt, nämlich dass sie sich “mehr anstrengen” sollen (Gisela Wurm, “Kronen Zeitung”, 6.3.11).

“Den meisten Männern ist es kein Anliegen, für Gleichstellung aktiv zu werden und auch Plätze für Frauen freizumachen. Wir brauchen verbündete Männer”, wird Judith Schwentner zitiert. Frauen gehen also den bequemen Weg des Vermeidens von Konflikten und Auseinandersetzungen und wollen dann auch noch, dass Männer für sie in die Bresche springen, wenn es um Gleichstellung geht.

Gleiche Rechte = gleiche Pflichten

Wer gleich berechtigt sein will, muss gleiche Rechte und Pflichten aber auch wahrnehmen – in der Politik bedeutet dies, dass kein Thema Frauen oder Männern vorbehalten ist. In der Praxis haben die meisten Politikerinnen Ahnung von “Frauenthemen” wie Kinderbetreuung und Vereinbarkeit, während kaum eine etwa bei Landesverteidigung und Sicherheitspolitik sattelfest ist. Dies gilt für Frauen mit Kindern ebenso wie für jene, die keinen Nachwuchs haben, also keineswegs so affin sind zu Fragen, die mit Kindern zusammenhängen.

Wenn es um Weichenstellungen innerhalb von Parteien geht, spielen Frauen kaum eine Rolle – wohl mit Ausreden wie “Angst vor Liebesentzug” und “Macht ist ja sooo böse”. Gerade weil manche Männer Macht missbrauchen und damit vielen schaden, müssen sich aber alle einmischen, die verantwortungsvoll mit ihr umgehen wollen. Die meisten Frauen weichen diesem Bereich in einer Weise aus, dass sie als Ansprechpartnerinnen ausfallen, wenn es um politisch bedingte Mißstände geht.

Welchen Sinn sollte es machen, mit Ahnungslosen zu sprechen, die vielleicht bei “ihren” Themen das eine oder andere wissen und auch nicht schlecht machen, aber unfähig sind, über den Tellerrand zu schauen, selbst ihre eigene Organisation kaum reflektieren? Frauen, die sich stets als brave  Mitläuferinnen geben, ganz egal, was in der Partei neu verordnet und durchgezogen wird, können kaum einschätzen, was möglich ist oder wie man etwas gegen Widerstände erreichen kann.

Unsere lahmen Politikerinnen

Es scheint, dass manche mit dem Riechsalzfläschchen früherer Epochen unterwegs sind. “Ich habe den rauen Umgangston unter Männern am Biertisch erlebt. Das kann auch abschrecken”, sagt Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (“Kronen Zeitung 28.2.2010). Und ÖVP-Frauensprecherin Schittenhelm spricht von “persönlichen Angriffen” und “brutaler Härte”, die jedoch keineswegs allein von Frauen erlebt werden.

Es sind gerade auch Frauen, die darauf verzichten, anderen Frauen bei Attacken beizustehen – im Gegenteil, Frauen manchen oft die Erfahrung, dass eher Männer Kompetenz schätzen und sie fördern, während bei Frauen sofort Neid und Tratsch einsetzen. Wie in anderen Bereichen auch stellt sich bei manchen Frauen die Frage, ob sie jemals ernst nehmen, was sie tun.

Es gibt etwa im Journalismus Beispiele dafür, dass Frauen vorgeschickt werden, wenn Männer zu erfahren wären, um anderen einen Bären aufzubinden. Zum Leidwesen von Personen, die mit lancierten Stories diffamiert werden und klagen, dass es keinen Sinn machen würde, diesen Frauen etwas zu erklären, denn sie verstünden es nicht.

Der Typus kommt auch in der Politik vor, da es hier ja keine messbaren Anforderungen gibt. Frauen (und Männer), die von sich selbst erwarten, sich mit der Materie auseinanderzusetzen, sind fassungslos, wenn sie mit solchen Politikerinnen zu tun haben. Nur ungeduldig schnaubend, gähnend und augenrollend ist zu ertragen, was Frauen von sich geben, die kaum je eigenständig gedacht haben.

Man fragt sich, was sie eigentlich tun – auswendig lernen, was in Presseaussendungen steht? Die Zeit überbrücken, bis der (fürs Selbst/Fremd?wertgefühl unverzichtbare) Partner nach Hause kommt? Wer je versucht hat, mit Frauen innerhalb einer Partei strategisch zu agieren, wird – von Ausnahmen abgesehen – erlebt haben, dass die meisten bremsen und sich peinlichst genau an alle irgendwo festgelegten formalen Regeln halten wollen. Alles muss unsagbar brav sein, dass nur ja nicht mit “Liebesentzug” gestraft wird.

Dass diejenigen, die wichtige Anliegen übergehen, Teile der Partei abspeisen und kritische Leute sabotieren, auf alle Regeln pfeifen und dass man ihnen im Interesse aller Paroli bieten muss, gilt meist nicht als Einwand. Es wäre positiv verstandene Macht, um die aber mit denen gerungen werden muss, die Macht missbrauchen. In der Praxis kann auch erfolgreicher Widerstand viele nur schwer davon überzeugen, dass “brave Mädchen” nirgendwohin kommen.

“Machtpositionen” ändern ein wenig am Verhalten von Frauen, sind aber keine Garantie dafür, dass sie wirklich entschieden auftreten. Im Sommer 2010 veranstaltete die SPÖ Bundesparteitag und Frauenkonferenz in der (gläsernen) Eventpyramide in Vösendorf, was von wegen Hitze und direkter Sonneneinstrahlung unerträglich war. Bei der Frauenkonferenz hielten fast alle ganz brav aus und sassen stundenlang in praller Sonne, inklusive Frauenministerin, inklusive Mandatarinnen und Funktionärinnen.

Beim Bundesparteitag, zu dem Frauen und Männer kamen, wurden zeltartige Abschirmungen besorgt, sodass die Luft zwar immer noch stickig war, man aber immerhin im Schatten sitzen konnte. Mit Gebläse wurde Frischluft in die Halle gepumpt, was die Luft ein bisschen verbesserte. Gabi Burgstaller, Landeshauptfrau von Salzburg, war ziemlich erstaunt zu erfahren, dass die Frauen am Vortag brav in der prallen Sonne waren, niemand einen Aufstand gemacht hat.

Warum lassen sich Frauen alles gefallen?

“Das hätte ich mir nicht gefallen lassen”, meinte sie. Es wäre müßig zu spekulieren, ob sie auch als Abgeordnete protestiert hätte oder durch ihre Funktion als Landeshauptfrau gelernt hat, berechtigte Ansprüche zu stellen. Was Innerparteiliches, sprich die Männerpartie an der Parteispitze betrifft, ist sie jedenfalls in nichts mutiger als die rote Durchschnittsfrau. Denn auch Burgstaller sieht bei Mißständen tatenlos zu, will es sich offenbar mit niemandem verscherzen.

Bei einigen Politikerinnen fragt sich, ob sie denn niemals sich selbst reden gehört haben. Da gibt es die, die immer anklagend-belehrend wirkt und anderen Abgeordneten sagen will, wie sie mit ihren Parteigenossen umgehen soll. Auf die Idee, dass sie ihren Kollegen weit mehr hilft, wenn sie sich bei deren Themen schlau macht, scheint sie nie zu kommen. Oberlehrerinnen werden aber von niemandem ernstgenommen, von Männern schon gar nicht.

Eine andere ist eine Art Betroffenheitssprecherin, mehrere Aussendungen täglich, Retterin der gesamten restlichen Welt – nur in der eigenen Partei hat sie null Durchblick. Für Verwunderung bis Erheiterung sorgt eine Bereichssprecherin, die stets möglichst viel Verschiedenes in ihren Redebeiträgen unterbringt und einen für manche etwas bizarren Zugang zu Themen offenbart. Und dann gibt es die Politikerin, die aus dem Wiener Landtag ins Parlament wechselte und in einem auf Youtube zu bestaunenden Video die Regierungsbank mit Namen aus dem Landtag tituliert, obwohl sie dort schon länger nicht mehr ist.

Es scheint fast so, als seien “rechte” Politikerinnen etwas “kompetenter” als “linke” – weil sie noch mehr in der Minderheit sind, sich offenbar mehr anstrengen müssen, man(n) ihnen keine Spielwiese verschafft. Was nicht erkämpft werden muss, führt offenbar leicht zur Selbstüberschätzung; zur Annahme, dass aus der Spielweise bereits resultiert, auch auf dem grossen Feld bestehen zu können. Denn dort sollen sich ja “die Männer mehr anstrengen”, wie wir wissen, und Frauen jedes noch so kleine Hindernis aus dem Weg räumen.

Die Folgen weiblicher Harmlosigkeit spüren alle Frauen – sie würden Politikerinnen (und Politiker) brauchen, die es nicht dabei belassen, regelmässig über den Gender Pay Gap zu jammern. Es sind Frauen, die durch viel weniger finanzielle Ressourcen auch weniger Freiheit haben, ihr Leben weniger gestalten können als Männer. Was jene Frauen offenbar nicht wirklich kratzt, die sich zwar in der Minderheit fühlen, als Politikerin aber das gleiche bezahlt bekommen wie ihre männlichen Kollegen….

Artikel von www.ceiberweiber.at

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