Unsere Hausgeburt Teil 2

Wer den ersten Teil noch nicht kennt, klickt hier!

Es wird ernst und die Hebamme kommt

Gegen 21.45 Uhr hatte ich alle 8 bis 10 Minuten Wehen und wir riefen Sabine an. „Sabine, ich glaube, es geht jetzt los bei uns.“ sagte ich. „Ich mache mich auf den Weg“ hörte ich am anderen Ende des Telefons. Wir holten meine Schwester aus dem Gästezimmer, die sich nun in unser Bett neben Karla legte, um während der Geburt bei ihr zu sein, sollte sie wach werden. Etwa eine Stunde später war Sabine da. Sie kam zu uns ins Wohnzimmer und mir fiel gleich auf, dass sich schick gekleidet hatte. Mich überraschte das und gleichzeitig berührte es mich positiv. Ja, dachte ich, eine Geburt ist doch ein feierlicher Anlass und dies auch nach außen zu zeigen sollte doch eigentlich ganz normal sein! Geburten verbinden wir heute vor allem mit sterilen Krankenhäusern, weißen Kitteln und Gummihandschuhen. Ich fühlte mich zum wiederholten Male bestätigt, mich für eine Geburt zu Hause entschieden zu haben.
Sabine schaute kurz wie es mir und dem Baby ging, Achim machte ihr eine Kanne grünen Tee und sie setzte sich in einen Korbstuhl und begann zu stricken. Sie war alleine gekommen, eine zweite Hebamme sollte aber informiert werden, wenn der Geburtsprozess fortgeschritten war. Meine Wehen wurden schnell heftiger und ich fragte mich, wie ich diese Schmerzen noch Stunden ertragen sollte. Sabine hielt sich im Hintergrund, strickte und trank Tee, während ich mich fluchend an den Hängesessel unserer Tochter Karla klammerte. Bei Karlas Geburt in der Klinik kam ich nicht in den Genuss, mich während der Wehen an etwas zu hängen. Nun tat es mir gut. Sabine bemerkte das und fragte nach einem Tragetuch, das wir natürlich besitzen. Achim holte das Tuch, eine Leiter, montierte den Hängesessel ab und stattdessen das Tuch an. Wir rückten die Matratze unter das hängende Tuch, um es mir möglichst bequem zu machen. Die Wehen wurden sehr heftig, sehr lang und die Pausen wurden geringer. Sabine war entspannt, auch wenn sie registriere, dass die Dynamik der Geburt zunahm. Sie hörte die Herztöne des Babys ab, das mit dem schnellen Geburtsverlauf offensichtlich weniger Probleme hatte als ich. Dann ging sie in den Nebenraum und rief die zweite Hebamme an. Okay, dachte ich, scheinbar wird es wirklich ernst. Und dann kam schon die nächste heftige Wehe.

Ute Arvid Tuch

Und plötzlich lag er da!

Ich höre oft von Frauen, dass sie während den Wehen nicht laut sind. Ich sage euch, bei mir ist das nicht der Fall. Wie schon bei der Geburt von Karla wurde ich mit der zunehmenden Stärke der Wehen immer lauter. Das laute Tönen, oder nennen wir es beim Namen, das Schreien tat mir einfach gut und es fühlte sich für mich sehr richtig an. Auch, wenn nebenan meine Schwester und Karla vielleicht aufwachen würden. Nun kam der Druck. Die Wehen veränderten sich und alles drückte nach unten. Ich sagte das laut und ich glaube, Sabine war ein bisschen überrascht davon, dass alles so schnell ging. Ich saß in der tiefen Hocke auf der Matratze und Achim hinter mir auf dem Sofa und stützte mich mit festem Griff. Sabine machte sich bereit, das Baby zu empfangen und ich presste. Kurze Zeit später konnte man das Köpfchen bereits fühlen und dann kam eine heftige und lange Wehe. Zuerst kam der Kopf und Achim schrie: „Ute der Kopf ist da, bald hast du es geschafft!“ Und Sabine sagte ganz begeistert: „Die Fruchtblase ist noch heile!“. In dem Moment war mir alles egal, ich gab noch einmal alles, die Fruchtblase platzte und das Baby lag vor uns.

Ich konnte es kaum glauben, wir weinten und schauten uns unser Baby an. Ein Junge! „Wir haben einen Sohn!“ kam es aus mir heraus. Ich hatte mir einen Jungen gewünscht und war mir während meiner gesamten Schwangerschaft sehr sicher, dass es auch einer werden würde. Achim half mir aus meinem T-Shirt und ich nahm das kleine schreiende Wesen auf meine Brust. Wir waren überglücklich. Sabine fragte, ob wir Karla und meine Schwester holen wollten. Natürlich wollten wir! Die beiden waren wach und kamen in das Geburtszimmer. Karla freute sich und sagte „Baby da!“. „Ja, das Baby ist da. Du hast einen Bruder. Wir nennen ihn Arvid.“ Dann machte sie sich über die Weintrauben her und holte ihre Bücher. Als sei es das Normalste von der Welt, dass sie nun einen kleinen Bruder hatte.

Gesegnet vom Glück

Nicht einmal vier Stunden hatte die Geburt gedauert und alles verlief ganz natürlich. Ganz intuitiv wählte ich die Geburtsposition der „tiefen Hocke“, in der die allermeisten Naturvölker gebären. Ich hatte keine einzige Verletzung und Arvid begann gleich nach der Geburt an der Brust zu trinken. Dass Arvids Kopf mit Fruchtblase geboren wurde ist etwas ganz besonderes. Man nennt dies auch Glückshaube. Glückshauben galten lange Zeit als Glückszeichen und sollten dem Kind besondere Geistesgröße oder auch übernatürliche, „seherische“ Fähigkeiten bescheren. Ist das nicht wunderschön? Im Nachhinein ärgere ich mich sehr, dass bei Karlas Geburt die Fruchtblase während der Geburt aufgestochen wurde. Ich hatte das damals gar nicht wirklich mitbekommen und heute bin ich mir sicher, dass auch Karla mit Glückshaube hätte geboren werden können.
Kurz nachdem Arvid da war, kam die zweite Hebamme. Zu spät! Aber wir freuten uns trotzdem und sie half Sabine bei der Nachsorge. Nachdem Arvid lange an der Brust war, wogen wir ihn und nahmen seine Maße. 3600g wog der Kleine und war 54 cm groß. Mit einem Kopfumfang von 36 cm also insgesamt ein strammer Bursche! Achim ging mit Karla zu Bett und erst jetzt durchtrennte ich die Nabelschnur. Wir wickelten den Kleinen ein und legten ihn zu Achim und seiner Schwester ins Bett. Sabine begleitete mich unter die Dusche, half mir beim Anziehen und brachte mich anschließend auch ins Bett. Mittlerweile war es etwa halb 3 morgens und wir dämmerten langsam ein. Sabine räumte noch auf und verschwand dann in den verdienten Feierabend. Es war eine schöne Atmosphäre nach der Geburt. Voller Glück und Wärme und ich denke, schöner kann ein Mensch auf dieser Welt nicht empfangen werden.

Arvid 1
Während in diese Zeilen schreibe, liegt der kleine Arvid ganz entspannt neben mir und schläft. Er ist voller Liebe im Schoße seiner Familie geboren worden und strahlt mit seinen rosigen Bäckchen eine enorme Zufriedenheit aus. Er hat gleich nach der Geburt kräftig zugenommen, unsere Hebamme ist jedes Mal nach dem Wiegen ganz baff. Er gedeiht ganz wunderbar und hat unsere kleine Familie vom ersten Moment nach der Geburt an bereichert. Wir freuen uns darauf, diesen kleinen Menschen im Leben begleiten zu dürfen und sind gespannt auf alles, was kommt!

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