Unser neuer Präsident – ein Mann der christlichen Kirche?

Die Suche nach dem neuen Präsidenten oder der neuen Präsidentin aller Deutschen verläuft nach einem erstaunlich ähnlichen Strickmuster wie die Suche nach einer neuen Bürgermeisterin oder einem neuen Oberbürgermeister hier in Frankfurt: Unerklärlicher vorzeitiger Abgang von Petra Roth, Ankündigung des Nachfolgers aus CDU-Reihen, kurzfristig angesetzte Neuwahl. Die anderen Parteien sind da natürlich etwas überfordert.

Die gleiche Eile bei der Suche nach dem Wulff-Nachfolger, die hochgejubelte “Würde des Amtes”, der nur noch ein Kirchenmann genügen kann, die Parteienferne, die eine Beeinflussung der nächsten Bundestagswahl ausschließen soll: Das Stellenprofil ist dem Kirchenmann Wolfgang Huber, der derzeit als aussichtsreichster Kandidat gehandelt wird, wie auf den Leib geschrieben.

Aber der Kirchenmann Huber steht den Parteien mit dem C im Namen natürlich nicht ganz fern, und er gehört einem vormodernen gesellschaftlichen Subsystem an, das noch immer nicht nach demokratischen Regeln funktioniert, beispielsweise in der grundlegenden Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Kirchen haben es dennoch innerhalb unserer Demokratie zu erheblichem Wohlstand und großer gesellschaftlicher Macht gebracht, was der Protektion der Parteien mit dem C wesentlich zu verdanken ist.

Besonders besorgniserregend finde ich, dass Huber sich auf das deutsche Staatskirchenrecht spezialisiert hat, zu dem das mit Hitler abgeschlossene Reichskonkordat gehört. Das Staatskirchenrecht ist eine der bedeutendsten juristischen Altlasten aus vordemokratischer Zeit, die die weltweit einzigartige Sonderstellung der christlichen Religionen in Deutschland zwar grundgesetzwidrig, aber doch juristisch zementiert. Vor diesem Hintergrund erinnert der Auftritt des Papstes Joseph Ratzinger als politisches Oberhaupt des Kleinstaates Vatikan im letzten Sommer im Bundestag irgendwie sehr an die Auftritte des türkischen Präsidenten Erdogan vor der türkischstämmigen Bevölkerung Deutschlands.

Mal ganz polemisch: Wollen wir unsere Demokratie zu einer nostalgisch-netten Theokratie umbauen? Aus China wissen wir, dass Wohlstand auch ohne Demokratie geht. Aber dann müssen wir auch die häßlichen Seiten eines theokratischen (oder faschistischen) Regimes in Kauf nehmen: Wie das ist, können wir nicht nur im Iran, sondern beispielsweise jetzt auch in Ägypten besichtigen. Nicht, dass die Bevölkerung das so wollte: Die Menschen im Nahen Osten kämpften für Demokratie.

In Deutschland, in dem die heutigen 5jährigen zu einem Drittel einen Migrationshintergrund haben, in dem die Mehrheit der Menschen gar keiner Religion mehr angehören und nicht in religiöse Schubladen gesteckt werden wollen, wie zur Zeit des Nationalsozialismus, wäre ein Kirchenmann eine denkbar unglückliche Stellenbesetzung.

Zum Schluss mein Plädoyer: Petra Roth for President now! Und beim nächsten Mal: Direktwahl des Staatsoberhauptes aller Deutschen, damit wir alle mitreden können bei der Präsidentenwahl.


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