Unisexy

UnisexyDas Thema des Tages handelte vom transgender Way of Life. Die Radiofeatures waren nicht mal uninteressant. Teilweise aber weltfremd. Eine Expertin des Studios erzählte etwas von Mode, die jetzt auch vermehrt ohne geschlechterspezifische Ausrichtung designt würden. Das sei der neueste Trend und stark im Kommen. Gleiche Klamotten für Mann und Frau also. Wie monoton. Die kapitalistischen Hetzer von dazumal, die über den Kommunismus sagten, er würde alle Menschen, ob nun männlich oder weiblich, in triste Grautöne einstampfen und gleichmachen, hätten an diesem »neuen Trend« eine verfluchte Freude. Und letztendlich erteilte der Radiosender einer Unisex-Fachfrau das Wort. Und was ihr da aus dem Mund blubberte, war so lächerlich, dass man am Ende sagen konnte: Jawohl, hier haben wir es mit einer eindeutigen Ideologie zu tun.

Sie fing relativ unspektakulär an. Erzählte etwas von Lebenswelten, die das klassische Rollenbild nicht mehr zuließen. Männer blieben daheim bei Kindern; Frauen schafften das nötige Kapital heran. So weit, so realistisch. Dergleichen gibt es ja durchaus mittlerweile. Nicht mal so selten. Mode sei deshalb quasi auch ein Ausdruck der Auflösung der Klischeebilder. Daher hätten die Geschlechter nun einen massiven Drang zu Unisex. Aber Hausmänner haben deshalb ja nicht gleich Sommerkleider an. In der Straße meiner Oma hat ein alter Zausel schon vor Jahren im Haushaltsschurz die Straße gefegt. Das gilt aber nicht. Der Kerl hatte einen Schatten. Jedenfalls meinte die Frau, dass das nicht aufzuhalten sei. Das Sein präge das Bewusstsein – okay, ich gebe es zu, diesen Satz sagte sie nicht; ich dachte ihn mir nur. Mehr so spöttisch. Doch ich hatte Verständnis, denn diese Frau arbeitet für irgendein Unisex-Institut oder weiß der Teufel für welche Einrichtung genau. Sie muss solche Konstrukte entwerfen, wenn sie ihr Geld wert sein will. Jeder muss halt Rechnungen bezahlen.

Dann legte sie so richtig los. Jetzt gäbe es nämlich Waren in allen Alltagsbereichen, die nicht Frau noch Mann sein wollen. Sie erzählte dann etwas von Handbohrmaschinen. Nun habe man Unisex-Modelle entwickelt. Die seien wesentlich leichter, sodass auch Frauen damit hantieren könnten. Die Moderatorin war begeistert. So könnten nicht nur Männer handwerken. Beide malten zwischen den Zeilen so eine Lebensrealität, wonach Männer die Domäne »Löcher in die Wand bohren« im Laufe der Geschichte an sich gerissen hätten. Ich hätte in all meiner Zeit als Partner etwaiger Frauen niemals etwas dagegen gehabt, wenn die jeweilige Partnerin mir diese leidige Aufgabe abgenommen hätte. Es ist nicht sonderlich atemberaubend mit einer Bohrmaschine an einer Wand zu kleben, die so hart ist, als sei sie mit Diamant oder Hartmetall beschichtet. Und genau da sind wir beim Thema: Handbohrmaschinen sind nicht so schwer, weil Männer Frauen von ihnen fernhalten wollen. Sie wiegen nicht viel um als Ausdurck patriachalischen Denkens zu wirken und sind auch kein Phallus mit Spiral- und Spanwinkel oder anderer Schneidengeometrie. Sie sind schwer, weil ein robustes und gutes Werkzeug eben nicht schwerelos sein kann. So eine Schlagbohrmaschine zum Beispiel muss was aushalten. Sie kann eben nicht gerade mal 500 Gramm wiegen, wenn sie Löcher in Beton hämmern soll. Von nichts kommt nämlich nichts. Brachialgewalt braucht Masse. Butterbrotpapier taugt nicht als Sprungtuch und ein handlicher Plastikbohrer nicht als Werkzeug. Manchmal sind die Erscheinungen der Welt den Realitäten geschuldet und nicht bohrmaschinengeilen Kerlen, die das Ding nicht in Frauenhände geben wollen.
Aber einerlei, denn das Beispiel ist unisex und damit der neueste Schrei und eben unisexy. Wenn man Spielzeuggeräte als Ausdruck des neuen Denkens feiert und man dann beim Anbringen eines Hängeregales mit dem Ding auf einer Trittleiter steht und flucht, weil man da nur an der Oberfläche kratzt, erst dann ahnt man wohl, dass man einer Ideologie aufgesessen ist. Denn die Welt ist nun mal nicht immer »a Man's World« - manchmal ist sie einfach vom Gewicht her »männlicher«, weil Wände eben hart sind und man trotzdem in sie vordringen können muss. Sich aber über die Gegebenheit dieser Wirklichkeit hinwegzusetzen, trotzdem die Verschlechterung dieser Handwerkstätigkeit als Fortschritt zu feiern, das offenbart den ideologischen Impetus, der nicht ergebnisoffen ans Werk geht, sondern mit klar vorgezeichneten Resultaten anrückt. Ganz ähnlich hat mancher Funktionär der UdSSR triumphiert, als er Rückschritte und Verluste als etwas viel Besseres als vorher hinstellte, nur weil man ja jetzt orthodoxer ans Werk ging und mit neuen Elan dem Alten auf die Pelle stieg.
Mir jedenfalls imponieren Frauen, die Bohrmaschinen in die Hand nehmen und sie benutzen. Besser sie als ich. Wie ich dieses Rattern und Stauben doch verabscheue. Dann wird das Ding heiß, der Bohrer glüht und das Loch ist immer noch nicht tief genug, um den verdammten Dübel zu versenken. Und am Ende verläuft der Bohrer in der Wand und man muss nochmal zwei Zentimeter tiefer ansetzen. Und obwohl ich es hasse, ich fühle mich dennoch männlich. Und wenn sie jetzt noch ein Plattiereisen erfinden, das so leicht ist, dass es schier schwebt, dann bleibt mir auch noch diese leidige Schnitzeljagd und das heiße Fett, in dem die mit Brösel bestäubten Schinken schwimmen sollen, erspart. Ob die Dinger dann allerdings flach genug werden, wage ich zu bezweifeln. Aber solange sie unisex sind, ist sogar jedes zähe Schnitzel ein Fortschritt. Es sei denn, man ist Veganer. Die kriegen sicher auch noch ein Radiofeature und eine passende Bohrmaschine dazu.
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