Es ist wieder soweit. Wenn wir nicht schon inmitten totalitärer Tyrannei angelangt sind, so haben wir doch zumindest das sperrangelweit geöffnete Tor dorthin längst durchschritten.
Stimmt. Doch sollten wir nicht vergessen, wie eine Diktatur funktioniert.
Weder Hitler noch Honecker wussten die Mehrheit des Volkes zuverlässig hinter sich. Eine kleine Minderheit getreuer Parteigenossen (sowohl in der NSDAP als auch in der SED bezeichneten sich die Mitglieder als Genossen) reicht völlig aus, um die Musik im Lande bestimmen zu können.
Viel schlimmer als diese Minderheit, aber geradezu lebenswichtig für die Tyrannei ist die Mehrheit der Schweigenden und Mitläufer. Ohne die funktioniert nichts. Auch das war schon unter Hitler und Honecker so.
Die Minderheit der Genossen dient sozusagen als Hütehunde, die - in der Gesellschaft strategisch gut positioniert - die Schafherde im Zaum und bei Laune halten und vor allem darauf achten, dass jedes gefährliche Geblöcke möglichst erstickt wird, insoweit es nicht zur Denunziation des Feindes und als Druckmittel für die eigenen Reihen herangezogen werden kann bzw. nicht zu verhindern war. Der Rest ist ein Selbstgänger. Die Herde zertrampelt sich solange von ganz allein, solange der Druck im Kessel erhöht werden kann oder dafür ausreicht.
Nur können alle an der Tyrannei Beteiligten eines nicht verhindern, und das ist die Tatsache, dass keine Tyrannei ewig wehrt. Erhöhen wir deshalb den Gegendruck! Hören wir auf zu schweigen, wo wir bisher vielleicht noch geschwiegen haben. Nur so können wir die schweigende Mehrheit ermutigen und nur so können wir erreichen, dass die Wölfe im Schafspelz ihre wahre Fratze, selbst für Blinde sichtbar, zeigen müssen.