„Trouble Will Find Me“
(4AD)
Matt Berninger ist kein einfacher Mensch. Und er ist ganz sicher nicht das, was einem zwingend zur Spezies Rockstar einfällt. Gerade erst eröffnete „Mistaken For Strangers“ das New Yorker Tribeca Film Festival, eine Livedokumentation seines jüngeren Bruder Tom, der sich für die Dauer einer Konzerttournee von The National als Newbie unter die Roadies mischte und fortan die Kamera gnadenlos auf alles draufhielt, was ihm berichtenswert schien. Kurz: Tom meets Matt und Matt hatte nicht selten die Nase gestrichen voll davon. Neben all den stimmungsvollen Bühnenbildern flogen so auch mal Gegenstände durch die Leinwanddiagonale, Geschrei, Kopfschütteln, Bilder mit Wahnwitz und Ironie, der ganze Irrsinn eben. In einer Einstellung läßt sich der Bandleader geduldig mit weiblichen Fans in der Öffentlichkeit ablichten – quietschbuntes, aufgekratztes Gekicher und Getuschel im Großstadtrummel, mittendrin der schwarzgewandete, stoisch dreinblickende, sonnenbebrillte Berninger, der hier nur das tut, was er muß, und nicht das, was er mag.
Ganze drei Jahre hatte Matt Berninger nun Zeit, für den Nachfolger zum letzten Album „High Violet“ auf das vielstimmige Raunen seiner inneren Dämonen zu hören, denn diese, das weiß man, sind quasi die Ghostwriter seiner Texte. Und was soll man sagen – sie haben sich zusammen für „Trouble Will Find Me“ richtig Mühe gegeben, so viel, dass man versucht ist zu behaupten, diese Platte schließe nahtlos an die Großwerke „Alligator“ und „Boxer“ an. Berninger gibt in gewohnter Manier den Grübler, den Schmerzensmann, der sich auf alttestamentarische Weise selbst verflucht („I Should Live In Salt“), der für die eigene Gram noch immer Redewendungen findet, die ihresgleichen suchen: „When I walk into a room, I do not light it up. Fuck“ („Demons“) oder „I have only two emotions, careful fear and dead devotion, I can't get the balance right, throw my marbles in the fight“ („Don’t Swallow The Cap“).
Verwünschungen, Schuld und Sühne, jede Menge Frauennamen geistern durch die Zeilen seiner Beichtgesänge. Wirklich wenige können so anrührend und glaubwürdig über den eigenen Gedankenwirrwarr singen wie der bärtige Grummler aus Cincinnati und wenn man nicht wüßte, dass Berninger laut eigener Auskunft ein durchaus unverkrampftes Verhältnis zum Teufel Alkohol pflegt, man müßte sich fragen, wie das alles sonst zu ertragen wäre. Die Musik zum wohltönenden Barriton ist gewohnt dicht, selten aufgekratzt und nimmt sich gern zurück, die Unterschiede zwischen den einzelnen Songs markiert einzig die Taktzahl der Drums, die sich – mal schneller („Don’t Swallow The Cap“/„Graceless“/“Humilations“), mal träge (alle anderen) – nie in den Vordergrund drängen, sondern stets Berningers Gesang die Bühne überlassen.
Es bleibt also der ausschließliche und lohnende Zeitvertreib des Zuhörers, den Tiraden, Klagen und sarkastischen Erzählungen Berningers zu lauschen, man ist und bleibt Zeuge intimer („I was a television version of a person with a broken heart … somebody said you disappeared in a crowd, I didn't understand then, I don't understand now“, Pink Rabbits) und versöhnlicher Einsichten („If I tried you'd probably be hard to find“, Hard To Find) und fühlt sich manchmal vielleicht etwas unwohl in der Rolle des stillen Beobachters. Trotzdem wünscht man dem Mann, hier wird’s dann etwas absurd und unfair, auch in Zukunft nicht unbedingt das Wohlbefinden und die Erlösung, die er sich so dringend erhofft – wer sollte einem denn sonst die Nichtigkeit der eigenen Sorgen derart kunstvoll vor Augen führen, wem würde man dann beim Leiden zuhören wollen? Nichts für ungut Matt, that’s simply your business. http://www.americanmary.com/
21. bis 23.06. Hurricane Festival
21. bis 23.06. Southside Fetival
04.11. Berlin, Max-Schmeling-Halle
05.11. Düsseldorf, Mitsubishi Electric Hall