Wohin geht man, wenn man kurz vor Weihnachten mal einige Momente der Ruhe geniessen möchte? In den Wald bestimmt nicht, denn wenn man nicht unversehens in eine Waldweihnachtsfeier hineinstolpert, dann trifft man bestimmt auf einen, der sich heimlich einen Gratis-Tannenbaum schlägt oder auf so viele andere Ruhesuchende, dass aus der Ruhe nichts wird. Auch all die netten Cafés sind nicht zu empfehlen, denn da findet man kaum einen freien Platz mehr, erstens, weil sich all die Leute zu weiteren Einkaufsorgien stärken wollen und zweitens, weil da so viele Einkaufstaschen zwischen Tischen und Stühlen stehen, dass der Weg zum letzten freien Platz blockiert ist. Und wer denkt, im trauten Heim könnte es ruhiger sein, der irrt. Zumindest, wenn im trauten Heim auch Kinder leben, die keine Sekunde länger warten mögen, bis sie endlich das Papier von den Päckchen reissen können.
Der Ruheort par Excellence, musste ich heute Abend feststellen, ist in diesen Tagen die Ikea in Spreitenbach. Ich hatte mich ja regelrecht vor diesem Einkauf gefürchtet, aber weil das Patenkind nicht alle Jahre zwanzig wird und in die WG zieht, nahm ich die Sache eben auf mich. Und wurde freudig überrascht. Das Parkhaus halbleer, kein Gedränge und an der Kasse keine Schlange. Und das Schönste am Ganzen: Weder „Last Christmas“ noch „All I want for Christmas is you“. Der reinste Frieden an einem Ort, wo ich ihn weder gesucht noch erwartet hatte. Warum, so fragte ich mich, kann ich hier vollkommen entspannt quatschend durch den Laden schlendern, wo doch alles über Weihnachtsstress klagt? Vielleicht, weil jeder denkt: „Ich bin doch nicht so doof und fahre am 22. Dezember in die Ikea.“ Vielleicht auch, weil die alle auf den Ausverkauf warten, der übrigens schon längst begonnen hat. Vielleicht aber auch, weil kein Mensch im Möbelhaus Geschenke kauft.
Was auch immer der Grund war, wir haben die unerwartete entspannte Zeit genossen. Einen Nachteil hatte die Sache aber schon: Bei so wenig Kundschaft war der Zugang zu den Regalen bedeutend einfacher als im üblichen Gedränge. Der Betrag auf der Quittung war dann eben auch etwas höher als erwartet.