Selten verdient ein Film das Prädikat “sehenswert” tatsächlich, doch im Fall von Jonathan Glazers Under the Skin handelt es sich um ein Werk, dass man wirklich gesehen haben muss, um zu wissen wovon die Rede ist. Im positiven wie im negativen.
Eine junge, bildhübsche, aber leicht nuttig gekleidete Frau (Scarlett Johansson) zieht durch Schottland und verführt Männer, die danach spurlos verschwunden sind. In Wahrheit verhält es sich mit der ominösen Frau nämlich so, dass sie eine Außerirdische ist, die aus ungewissen Gründen auf der Erde verweilt. Der Film beginnt wohl kurz nach ihrer Ankunft. Der Grund ihres Besuchs wird nie vollends geklärt, ebenso wenig was denn nun genau mit den Männern geschieht. Ein verfallenes Landhaus, ein dunkler Raum und eine schwarze Flüssigkeit spielen dabei ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Michael Faber, entwirft Jonathan Glazer ein ruhiges, meditatives Werk, das nicht nur durch seinen eindringlichen Soundtrack besticht, sondern auch durch eine ausgeklügelte Bildsprache, die aber gleichzeitig die Thematik des Films mit ungehemmter und oftmals übertriebener Wucht vermittelt. Weniger in Form von Gewalt oder verstörenden Aufnahmen, sondern eher in der Hinsicht, dass die Aussage von Under the Skin dem Zuschauer aufs Auge gedrückt wird und dadurch meist jene Subtilität vermissen lässt, die das Handlungsgerüst und die vage gezeichnete Hauptfigur auszeichnen.
Auch wenn Under the Skin viele Fragen offen lässt, so tritt im Verlauf der minimalen Handlung – die im besten Fall nur als Rahmenhandlung bezeichnet werden kann – dennoch ein bestimmendes Thema zutage. Besonders wichtig schien Glazer die Frage zu sein, wie ein Wesen eines fremden Planeten die Menschheit betrachtet – unser Verhalten, unsere Fehler, das was uns zu dem macht, was wir sind. Scheint zu Beginn die Außerirdische zu glauben, dass Sex unser bestimmendster und vielleicht sogar einziger Trieb und Motivation ist, findet sie im weiteren Verlauf mehr und mehr über das merkwürdige Verhalten dieser Säugetiere heraus. Es entsteht dabei eine Parabel auf Liebe, Einsamkeit und Entfremdung.
Dabei handelt es sich aber nur um eine der vielen möglichen Sichtweisen des Films. Somit bleibt Under the Skin eigentlich weniger ein Mysterium, als viel mehr eine offene Fläche für verschiedenste Interpretationen. Der Spielraum den Jonathan Glazer dem Publikum bietet ist groß und er hat einen Film geschaffen, den man sich gerade deshalb immer wieder anschauen kann. Dies ist auch der Grund, weshalb anfangs Under the Skin als ein Werk bezeichnet wurde, dass man gesehen haben muss.
Bei allem Lob hat aber auch Under the Skin seine Schwächen. Zum einen wäre da die Tatsache, dass es abseits von Johanssons Performance keine weiteren nennenswerten schauspielerischen Leistungen gibt (mit Ausnahme eines mehr als prägnanten Nebendarstellers), was angesichts der Zentrierung auf ihre Figur jedoch zu verkraften wäre. Zum anderen ist es außerdem der Schnitt und die daraus resultierenden Leerstellen, die den Film unnötig in die Länge ziehen. Wie bereits erwähnt gibt es nicht viel an äußerer Handlung, es ist viel mehr ein beobachten. Was zwangsläufig zu Momenten führt, in denen der Film stillsteht und keine neue Richtung einschlägt. Dies führt auch dazu, dass sich Glazer manchmal zu sehr bemüht seine Aussage dem Publikum klar zu machen und gleichzeitig so vage wie möglich zu bleiben.
Under the Skin ist ein bemerkenswerter Film, ein Film, den man gesehen haben sollte und ein Film, der sehr motiviert ist eine bedeutende Message zu vermitteln. In seinen besten Momenten funktioniert das Zusammenspiel von Thematik, der ominösen Hauptfigur und dem eindringlichen Soundrack. Leider gelingt es Glazer nicht dieses Niveau über die gesamte Dauer hinweg aufrecht zu erhalten, wodurch Under the Skin unter der Last seiner Aussage zusammenbricht.
Regie: Jonathan Glazer, Drehbuch: Walter Campbell, Jonathan Glazer
Darsteller: Scarlett Johansson, Jeremy McWilliams, Lynsay Taylor Mackay, Dougie McConnell
Filmlänge: 108 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 10.10.2014, undertheskinmovie.com