Und was feiern wir heute?

25 Jahre! Unglaublich! Unvorstellbar! Ein Fest der Freude!

Und für wen eigentlich? Nach 25 Jahren Desaster brauchen sich die Herren Politiker (Damen waren damals eh keine beteiligt) wirklich nicht selbstzufrieden gegenseitig auf die Schultern zu klopfen. (Es ist ja sowieso keiner von den heutigen damals beteiligt gewesen, falls denn schon überhaupt volljährig.) Der Soli wurde an Spekulanten und Geldhaie verschwendet, die alle Subventionen mitgenommen haben, ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Die Wessis haben bezahlt, die Ossis haben dafür im Gegenzug keine Arbeit bekommen. Egal, ob dort noch irgendwas Geld gebracht hätte oder nicht, alles wurde eingestampft, lediglich Prestigeobjekte wie Dresden wurden langsam – SEHR langsam! – wieder aufgebaut, um den Touristen aus aller Welt da draußen zu zeigen, was wir Großartiges geschaffen haben. Wiederaufbau nach dem Weltkrieg im Westen, Wiederaufbau nach dem Kalten Krieg im Osten. Lüge und Augenwischerei!

Klar ist der Tag der Wiedervereinigung toll und wünschenswert und endlich mal ein Tag, der es als Feiertag verdient hat, weil er auf realen Tatsachen basiert. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie das damals ablief, ich war ergriffen ob der Bilder im Fernsehen, ich fand es großartig und eigentlich kaum vorstellbar, wie friedlich das abging, und dass Russland als Auslöser eine Annäherung zum Westen suchte.  Es war eine Zeit so voller Hoffnungen und Zuversicht, dass die Menschen dazu gelernt hätten, dass ab jetzt alles aufwärts ginge und besser würde und die Welt zusammenwachsen könne.

Ich selbst habe damals in einer Firma gearbeitet, und mich tatkräftig am Ausbau im Osten mit beteiligt, weil die Firma nicht nur Ressourcen gesehen hat, sondern tatsächlich auch mit aufbauen wollte – allein schon durch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Und was ist geschehen? Ehrlich währt am kürzesten, weil nicht abgeschöpft wurde, weil gearbeitet und nicht gezockt wurde, also ging ein solides, soziales Familienunternehmen schlichtweg drauf.

Also was ist stattdessen geschehen? Wo stehen wir heute? Und – wo steht Ostdeutschland heute?

Wieso wundern sich Politiker über Pegida und Legida & Co, nachdem zweieinhalb Jahrzehnte lang die Leute da drüben allein und zum Verrecken sich selbst überlassen worden sind? Was wundert man sich heute über die schon kurz nach der Wiedervereinigung schnell wachsende Neonazi-Szene?
Regierung und Politik allgemein (also alle bedeutenden Parteien) hätten, nachdem sie gegen die Rechten von Anfang an versagt hatten, aber wenigstens JETZT schon bei den ersten aufkommenden Protesten sofort entgegenwirken können, und mit guten Argumenten die Tatsachen darstellen sollen, und aufklären, was Facebooks Propaganda bedeutet. Die Neonazis haben die Angst der Leute ausgenutzt und sie mit Parolen eingelullt, die sachlich unzusammenhängend sind, aber einfach alles erklären können – wie jeder Religionsglauben halt.
Und was ist geschehen, ausgehend von beiden höchsten politischen Instanzen in diesem Land, Kanzler und Präsident?

NIX!

Und BEIDE sind gebürtige „Ossis“!

Ihr zwei, ihr hockt auf euren breiten Ärschen und macht das, was ihr immer macht – alles aussitzen, bis Gras drüber gewachsen ist. Aber das wird nicht mehr geschehen! Ihr beide, ihr wollt mir damit anscheinend weismachen, eure eigenen Leute nicht mehr zu verstehen, fern von ihnen zu sein, da oben in euren luftigen Höhen, so weit weg vom Volk wie nur irgend möglich? Ihr verleugnet eure Herkunft, ihr habt vergessen, wie ihr aufgewachsen seid?
Oder ist es euch wirklich so absolut scheißegal, weil „die paar Hanseln“ da drüben, pah, wen kümmert’s? Ist ja kein IS! Ach so, Moment … gegen den wird ja auch nichts unternommen. Also: Sind ja eh alle gleich, nur ein paar unbedeutende Hanseln! Dann zündeln sie halt in ein paar Asylantenheimen, wurscht, leiten wir alle Züge nach München um! Da ist die Wiesn, da isses zünfti’!

Ich feiere natürlich den Tag des Mauerfalls, niemand darf eingesperrt werden, alle haben das Recht, dorthin zu gehen, wohin sie wollen, und Überzeugungen zu haben, die nicht jedem gefallen, solange sie niemanden damit beschneiden oder gar unterdrücken.

Aber ich bin verbittert über das, was daraus erwachsen ist. Der Kalte Krieg ist zurück, Religionswahn greift um sich, und anstatt dankbar zu sein um was wir haben, hier in diesem freien Europa, dass es keine Mauer mehr gibt, erklären wir jedem einzelnen Flüchtling den Krieg.

Ein Feier-Tag? Ja, ein bisschen, auch ein bisschen Freude, dass es doch auch einmal ein gutes Ende nehmen kann. Zumindest für diesen einen Tag des Mauerfalls.

Aber für all das, was darauf folgte, ist es mehr noch ein Tag des Schämens.


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