Diesmal mit Karlsson und Luise. Ein Wocheneinkauf, also nichts so Kompliziertes wie gestern. Gerade richtig, um mal wieder Zeit zu haben, um von meinen beiden grössten Kindern die ungeschminkte Wahrheit ins Gesicht gesagt zu bekommen.
„Die Frau X hat gemeint, mich könne nichts aus der Ruhe bringen“, erzähle ich den beiden lachend. „Könnt ihr euch das vorstellen? Ausgerechnet mich soll nichts aus der Ruhe bringen.“ Karlsson und Luise lachen schallend und ich fahre fort: „Ich habe ihr dann gesagt, dass ich auch mal ganz schön laut werden kann. Wenn die wüsste…“ Wieder lautes Gelächter, dann meint Karlsson ganz ohne Vorwurf in der Stimme: „Ja, wenn man dich so mit anderen Leuten erlebt, dann könnte man schon meinen, du seist immer nur freundlich. Mit anderen Kindern schimpfst du nie so wie mit uns.“ Ich zucke zusammen. Bin ich jetzt wirklich geworden, wie ich nie sein wollte. Nett und liebevoll zu fremden Kindern, ungeduldig und unfreundlich zu meinen eigenen? „Ist es wirklich so schlimm?“, frage ich Karlsson und Luise und zittere innerlich vor der Antwort. Was, wenn sie mir genau dies bestätigen? Wenn sie sich fühlen, als würde ich sie nicht lieben, als wünschte ich mir andere Kinder?
Die Antwort der beiden lässt nicht lange auf sich warten. „Nein Mama, du schimpfst gar nicht mehr so viel wie früher. Früher hast du immer geschimpft“, beruhigt mich Luise und Karlsson erklärt: „Weisst du, Mama, bei dir ist das gleich wie bei mir. In der Schule können die sich ja auch nicht vorstellen, dass ich zu Hause motze, die Türe knalle und wild bin. Die glauben ja auch, ich sei immer nur lieb und nett.“
Also alles noch im grünen Bereich. Ich bin nicht anders als die meisten anderen Menschen auch: Die Menschen, die mir wenig bedeuten, müssen sich mit meiner Freundlichkeit begnügen, während diejenigen, die ich am meisten liebe, das Privileg haben, meine der Allgemeinheit verborgenen Fehler immer mal wieder in vollen Zügen geniessen zu dürfen.