Diese letzten paar Tage waren, wenn man so in die Welt blickt, traurig und beängstigend und skurril.
Am Montag stand ich noch mit 5000 anderen Menschen am Glockengießerwall in Hamburg, um gegen die Pegida-Schwachmaten zu demonstrieren. Das gab Hoffnung, man dachte sich, ach, es sind eben Schwachmaten, die Guten und die Denkenden sind in der Mehrheit. 48 Stunden später kommt es dann zu dem katastrophalen Anschlag auf das Magazin Charlie Hebdo in Paris. Alles ist anders, schon wieder, in wenigen Sekunden.
In meinem Freundeskreis wird seither wild diskutiert – emotional, verwirrt, ängstlich. Was ist das denn bitte für eine Zeit, in der wir grad leben, wo ausgemachte Rechte in schicken Anzügen demnächst wohl in den Bundestag einziehen und bärtige junge Männer einfach mal 12 Menschen abknallen? Fragen werden aufgeworfen, wie kann es so weit kommen, dass junge Menschen sich derart gehirnwaschen lassen, dass sie zu diesen eiskalten Tötungsmaschinen werden? Was ist die adäquate Reaktion auf solche grausamen Taten? Ist das Abdrucken der Hebdo-Karikaturen nun Provokation oder Widerstand? Kann man diesen Terrortypen nicht den Geldhahn zudrehen? Woher bekommen die überhaupt ihr Geld? Am Ende sagt immer irgendwer irgendwas von meine deutschen Werte!“ – und dann geht dieses ganze Thema los …
Ich erinnere mich noch ziemlich genau an den 11. September 2001. Da war das alles ganz ähnlich. Nur viel verwirrender und frischer. Meine Generation kannte Terroristen nicht als Teil ihres Nachrichtenalltags. Die Generation unserer Eltern ist aufgewachsen mit Baader, Meinhof und Konsorten, und auch wenn es sich bei denen im Vergleich zur aktuellen Terrorsituation geradezu um die Bewohner von Schlumpfhausen handelt, so gab es doch ein Bewusstsein für Wut und Gewalt, die sich völlig unangekündigt und willkürlich zeigen konnte.
Mir macht die Zeit, in der ich lebe grad auch viel Angst. Ich finde die politische Entwicklung in diesem Land irritierend und beängstigend, finde die Vereinfachung in der öffentlichen Diskussion gefährlich, finde es furchtbar, dass sich ein Großteil meiner Generation aus Hilf- und Ratlosigkeit in die Bequemlichkeit eines betroffenen Schulterzuckens zurück zieht.
Ich habe auch keine Antworten auf die oben gestellten und dieser Tage immer wieder aufkeimenden Fragen. Ich habe noch keinen Weg gefunden, mit weniger Angst und Sorge morgens Zeitung zu lesen. Aber eins steht fest – nur, weil man keine Antworten hat und die Zeitungslektüre wenig Spaß bringt zur Zeit, darf man den Mund nicht halten und aufhören, Haltung und Position zu beziehen. „Nichts nährt Populismus besser als das kollektive Beschweigen von Angstthemen durch die Medien“, hieß es gestern in einem sehr guten Essay.
Dem schließe ich mich an. Meinungs- und Pressefreiheit sind in unserem Grundgesetz verankert und zentrale Säule eines demokratischen Systems. Wer sich innerhalb dieses demokratischen Systems aufhält, darin lebt, seine Vorzüge genießt, hat sich damit abzufinden, dass diese im Grundgesetz verankerte Freiheit über dem Empfinden des Einzelnen steht. Get over yourself already, mich beleidigen auch viele Dinge, die ich hinnehmen muss: Kristina Schröder, Der FC Bayern und nicht zuletzt Pegida. Aber ich muss damit leben und darf nicht einfach mit der Uzi ins Bayern-Stadion marschieren! Egal, in wessen Namen!
In Hamburg findet am Montag ab 18 Uhr am Gerhart-Hauptmann-Platz wieder eine Demo statt. Ihr solltet hingehen!